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Notluegen

Notluegen

Titel: Notluegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Swartz
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sich gerade gestritten haben, erbietet sich der Mann, auf dem Sofa in dem Zimmer zu schlafen, das von heute an und in Zukunft das seine werden wird.
    Dort auf dem Sofa kann er dann nicht einschlafen. Der Mann denkt an den Chinesen, an den Besen und daran, dass zu Hause vor einigen Wochen die Krebssaison begonnen hat und sich schon ihrem Ende zuneigt.
    Er überlegt, ob es eine solche Saison in diesem Land geben kann, und wenn nicht, wie der Amerikaner ohne sie auskommt. Dann denkt er daran, was mit der Tür der Wohnung geschehen ist und was er seiner Frau sagen soll, wenn jemand ein neues Kreuz oder einen Haken darauf malt.
    Aber wie sollte er seiner Frau etwas erklären können, das er selbst nicht versteht?
    Der Mann sehnt sich plötzlich nach Krebsen.
    Hier in Manhattan hat er nie welche zum Verkauf gesehen. Auch keinen Dill. Vielleicht fühlen sich die Krebse in Amerika nicht wohl oder sind auf diesem Kontinent ausgerottet, wie bereits die Indianer und die Tischmanieren, denkt der Mann allein auf dem Sofa, und aus dem anderen Zimmer, dem kleineren, das die Frau als ihres ausersehen hat, kann er bald ihre gleichmäßigen und ruhigen Atemzüge hören und versteht, dass seine schwedische Ehefrau bereits tief in ihren ersten amerikanischen Traum versunken ist.

Ein Mann ist zu einem kurzen Besuch in einer fremden Stadt, für drei oder höchstens vier Tage, und damit er sich dort nicht ganz einsam fühlt, arrangiert eine Freundin für ihn eine Begegnung mit einer anderen Frau.
    Die Freundin ist eine der wenigen Personen, die er in der Stadt kennt. Sie selbst hat keine Zeit, sich um ihn zu kümmern; das gibt sie zumindest vor. Diese Freundin ohne Zeit ist zwar selbst an der Gesellschaft des Mannes interessiert, und mehr als das, aber jahrelang ohne den geringsten Erfolg, und als etwas, das wie ein letztes Opfer auf diesem Altar der unerwiderten Liebe aussehen kann, bringt sie nun die beiden Unbekannten zusammen, den Mann, den sie selbst begehrt, und die ihm unbekannte Frau, wie eine Kupplerin, denkt er, sagt es aber nicht.
    Stattdessen dankt er der Freundin für ihre Fürsorglichkeit in dieser dem Mann fast unbekannten Stadt. Groß ist sie nicht, doch durch ihr Alter unübersichtlich; der Mann hat Schwierigkeiten, sich darin zurechtzufinden. Bei seinem letzten Besuch hatte er sich in den Gassen verirrt, wo immer er auch gegangen war, nach links oder nach rechts, war er zum selben Platz mit demselben Springbrunnen zurückgekehrt, wo das Wasser aus den Mündern von Amorinen und Delfinen sprudelte.
    Der Mann und die andere Frau treffen sich in einem Café, das ihm die Freundin genau beschrieben hat. Sicherheitshalber ist er mit einem kleinen Touristenstadtplan ausgerüstet, in dem die Freundin mit einem schwarzen Kugelschreiber das Café und die Straßen und Gassen, durch die man dort hingelangt, eingezeichnet hat. Auf derselben Karte hat sie Namen, Telefonnummer und Haarfarbe der Freundin notiert und ihre Nase im Profil gezeichnet, so dass es keine Missverständnisse geben kann.
    Die Straßen in dieser Stadt sind still. Sie wirken verlassen und die Häuser unbewohnt, nur selten steht ein Fenster zur Straße hin offen. Als der Mann das Café ohne Schwierigkeiten findet, ist die Frau, die er treffen soll, bereits da.
    Das verursacht ihm ein Gefühl leisen Unbehagens.
    Anfangs will das Gespräch nicht recht in Gang kommen. Der Mann vermutet, es habe mit der gegenseitigen Schüchternheit zu tun, sie beide fühlten sich aber obendrein gehemmt durch die unsichtbare Anwesenheit der Freundin bei diesem Treffen, das ja ohne ihre Mitwirkung nicht zustande gekommen wäre. Um seine Dankbarkeit gegenüber der Abwesenden zu zeigen, sprechen sowohl der Mann als auch die Frau in lobenden Worten ziemlich lang über sie. Dieses Gespräch, das einer dritten Person gilt, erlaubt ihnen auch, die Neugier aufeinander durchscheinen zu lassen, ohne sich allzu offen zu irgendwelchen anderen Absichten zu bekennen, etwas, das so früh am Abend ebenso unhöflich wie unvorsichtig gewesen wäre, die Uhr hat ja noch nicht einmal sieben geschlagen.
    Der Mann schätzt die Zeit, die sie der gemeinsamen Freundin widmen, auf mindestens fünf Minuten. Er sagt nur Gutes über sie, und das tut auch die andere Frau. In all dem Lob und der Bewunderung, die sie über sie ausstreuen, rühren sie zugleich aneinander, wenn auch nur mit Worten. Die Zeichnung der Freundin zeigt sich bis aufs i-Tüpfelchen zutreffend: Gerade die Nase zieht in dem Gesicht die

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