Notruf 112
denn von einem Feuerwehrmann helfen lassen?«
Sofort beruhigt er sich wieder: »Ja, Feuerwehrleute sind gut. Ihr habt doch auch diese Frequenzmessgeräte, oder?«
»Oh ja, die haben wir. In etwa 30 Minuten könnten wir bei Ihnen sein.«
»Gut! Ich warte. Und vergesst das Gerät nicht.«
»Nein, nein. Ganz bestimmt nicht.«
30 Minuten später klingelt ein ziemlich seltsam gekleideter Feuerwehrmann an Herrn Lenzers Tür. Die Hose ist irgendwie viel zu lang. Der aufgekrempelte Saum endet direkt über seinen einfachen Sportschuhen. Auch das blaue Poloshirt mit dem Emblem der Berufsfeuerwehr schlabbert zu weit und zu lang um seinen schmalen Oberkörper. In dem Outfit hätte ich keinen meiner Männer auf einen Patienten losgelassen. Wir haben aber auf der Feuerwache auf die Schnelle keine passende Kleidung für den Bereitschaftsarzt der Kassenärztlichen Vereinigung gefunden.
In der Feuerwehruniform gelingt es dem Doktor dann tatsächlich, den aus mehreren tiefen Kratzwunden blutenden Herrn Lenzer zu behandeln und seine imaginären Nanobomben dabei rückstandsfrei zu entfernen. Als Frequenzgerät dient ihm ein Strommessgerät aus unserem Fundus. Die Kur scheint tatsächlich gewirkt zu haben. Herr Lenzer hat jedenfalls seitdem nicht mehr angerufen.
Auch dieser Fall ist übrigens in die Ausbildung unserer jungen Kollegen eingegangen. Ich kenne zig solcher Fälle. Und jeder hat sein eigenes Drehbuch und seinen eigenen Film, den zu verstehen uns oft an die Grenzen des Vorstellbaren und auch der Geduld treibt. Unterm Strich jedoch bleibt immer mein Mitgefühl für diese Geplagten. Und eine große Dankbarkeit, gesund an Körper und Seele durchs Leben gehen zu dürfen.
Der Stresstest
Was macht ein Feuerwehrmann, der mit einem dröhnenden Föhn in der einen Hand und dem Funkhörer in der anderen mitten in der Fahrzeughalle sitzt und im schönsten Schweizerdeutsch »Flugwacht Zermatt 3! Flugwacht Zermatt 3!« ins Mikro plärrt? Ganz einfach: Er inszeniert einen Stresstest. Und zwar für einen Kollegen, der im dritten Stock gerade eine echte Feuerprobe bestehen muss. Dies ist eines dieser zuweilen etwas rustikal wirkenden Rituale, die wir Feuerwehrleute immer wieder gerne pflegen. Und die manchmal für die Akteure extrem peinliche Nachspiele beim Oberbranddirektor haben. Der Spaß ist das aber trotzdem wert. Und wir lachen heute noch Tränen, wenn wir uns an folgenden denkwürdigen Landeanflug erinnern.
Es ist ein Mittwoch, zufällig gerade kaum etwas los am Funk. Also eine prachtvolle Gelegenheit für einen kleinen, gemeinen Stresstest – eigens erdacht für unseren Kollegen Luggi, der in diesen Tagen erstmals allein als ausgebildeter Rettungsdienst-Funksprecher arbeitet. In dieser Funktion ist er zuständig für die gesamte Abwicklung des Rettungsdienstes auf Münchens Straßen und im Luftraum über der Stadt. Der anspruchsvollste Job in der Leitstelle, der eine rasche Auffassungsgabe, absolute Stressresistenz und Nerven wie Stahl voraussetzt. Und die stellen wir jetzt mal auf die Probe.
Luggi sitzt ganz vorne in der ersten Reihe und hat somit keinen Blick auf die feixenden Kollegen in seinem Rücken. Thomas verlässt unauffällig die Leitstelle und geht unten in der Halle mit Föhn und Funk in Position. Und schon meldet sich unter heftigem Föhngetöse der Kopilot der Schweizer »Flugwacht Zermatt 3« bei unserem Luggi und teilt mit, dass sie sich im Landeanflug auf das Krankenhaus rechts der Isar mit einem intubierten Patienten für die Urologische Intensivstation befindet. Zu diesem Zeitpunkt geht Kollege Luggi selbstverständlich von der Landung eines Schweizer Helikopters auf dem Dachlandeplatz des Klinikums aus. Ein Irrtum, wie sich gleich erweisen wird. Denn der Kopilot fordert für die Lande- bzw. Startbahn eine Mindestlänge von 1,8 Kilometern – von wegen Helikopter! Hier scheint es sich um ein Flächenflugzeug zu handeln.
Von hinten beobachten wir gespannt die Veränderung, die mit unserem Kollegen vorgeht. Plötzlich sitzt er kerzengerade, fährt sich mit beiden Händen entsetzt durch die Haare und ruft: »Das ist unmöglich! Ich wiederhole: Das ist unmöglich! Sie können auf gar keinen Fall dort landen. Es handelt sich lediglich um einen Hubschrauberlandeplatz.«
Funkstille …
Der Kollege hakt nach: »Zermatt 3, wo befinden Sie sich?«
»Mier folget dä Isar in Richtung Norden. Unter üs befindet sich ein Hafen.«
Der Kollege rauft sich die Haare: »Was für ein Hafen, zum Teufel noch
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