Notruf 112
Wasservögel kommen damit klar. Nur der Mensch – der wittert plötzlich überall Gefahren fürs geliebte Federvieh. Und so wird das Wassergetier aus lauter falsch verstandener Tierliebe mancherorts regelrecht krank gemästet. Im Englischen Garten waren die Schwäne zeitweise so fett, dass sie kaum noch fliegen konnten und in der Startphase schon mal einen Fahrradfahrer glatt über den Haufen geflogen haben. Da steht man dann am Fenster, schaut hinaus in den jungen, froststarren Morgen und weiß: Heute ist Ententag. So sicher, wie diese Tiere Bürzel haben. Und siehe da: Der erste Anruf zum Thema lässt meist nicht lange auf sich warten.
Variante 1:
»Die Feuerwehr. Der Rettungsdienst. Grüß Gott!«
»Ich glaube, am Kanal ist eine Ente im Eis eingefroren. Könnten Sie da mal schauen?«
Variante 2 klingt schon dramatischer:
»Da klebt ein Schwan mit den Füßen im Eis fest. Er bewegt sich schon gar nicht mehr. Bitte schicken Sie doch mal jemanden. Man kann es ja gar nicht mehr mitansehen.«
Spätestens bei Variante 3 gibt es kein Entrinnen mehr:
»Hier spricht die Familie Schmidt. Wir stehen mit den Kindern am Olympiasee. Draußen auf der Eisfläche zappelt verzweifelt eine Ente. Sie ist eingefroren. Sie stirbt! Die Kinder weinen schon. Kommen Sie schnell!«
Das Einzige, was den vermeintlich Eingefrorenen jetzt wirklich helfen würde, wäre absolute Ruhe für ihr perfekt ausgeklügeltes Energiesparprogramm bei großer Kälte. An dieser Stelle über das geniale Frostschutzsystem der Venen und Arterien im winterlichen Vogelfuß zu dozieren würde jetzt sinnlos verpuffen. Außerdem bin ich kein Biolehrer, sondern Feuerwehrmann. Und für den hat die Beruhigung des besorgten Bürgers stets Priorität.
Und so starten also zwei gestandene Männer der Berufsfeuerwehr mit dem sogenannten Klaf – unserem Kleinalarmfahrzeug – zur sofortigen Entenrettung. Die geht erfahrungsgemäß in ungefähr 99,8 Prozent der Fälle immer gleich aus: Wir nähern uns mehr oder weniger elegant kriechend, rutschend oder auf der Leiter fahrend dem überraschten Federtier, das kurz vor dem beherzten Zugriff locker durchstartet – um sich nur 30 Meter weiter in einer flachen 180-Grad-Kurve gleich wieder auf dem Eis niederzulassen. Noch Fragen?
Die Fälle, in denen wir tatsächlich mal ein geschwächtes, krankes oder verletztes Tier auf dem Eis eingefangen haben, lassen sich in einer Wintersaison an einer Hand abzählen. Eingefroren war jedenfalls meines Wissens bislang kein einziges. Der verbriefte Eisentenrekord stammt übrigens aus dem eisigen Winter 2011/12 und liegt derzeit bei neun (!) Einsätzen an einem einzigen Vormittag. Die Kollegen sind beinahe durchgedreht.
Ententage gibt es übrigens auch im Sommer. Der kurioseste Fall ereignete sich im Jahr 2012 bei den Festivitäten zum 40-jährigen Jubiläum im Münchner Olympiapark. Da erreichte uns der Anruf einer Frau, die vor lauter Aufregung schier schon hyperventilierte: »Acht verwaiste Entchen im Olympiasee. Ich glaube, sie ertrinken unter dem Wasserfall. Schnell! Kommt bitte ganz schnell!« Dass gleich acht Entenkinder auf einmal ertrinken, würde mich ja sehr verwundern, aber bitte sehr. Inmitten der vielen Menschen im Park stellte auch die Wasserwacht ihre Organisation vor. Und die bat ich nun um Hilfe. Die Wasserwachtkollegen gaben sich unter dem Gelächter zahlreicher Zuschauer mit Boot und Netz unglaubliche Mühe, die ängstlich fiepende Bürzeldynastie einzufangen und vorsichtig oberhalb des Wasserfalls wieder abzusetzen. Es dauerte selbstverständlich keine zehn Minuten, da ließen sich alle acht Küken wieder vergnügt eine Etage tiefer rutschen. Der Wasserfall war nämlich gerade mal 30 Zentimeter hoch und diente den Entenkindern als persönliches Spaßbad. Sorry, Kollegen, für die Nummer schäme ich mich noch heute.
Viola
Es war bis dahin eine ganz normale Nacht. Die Anrufe plätscherten so dahin: Mein Kind hat Fieber. Wo finde ich das nächste Krankenhaus? Mein Mann hat eine Nierenkolik … Lauter Fälle für den Ärztlichen Bereitschaftsdienst. Was sich um 3.12 Uhr schlagartig ändert.
Ahnungslos nehme ich den Anruf an – und wäre vor Schreck beinahe mit meinem Sessel umgekippt. Eine Frau am anderen Ende der Leitung schreit fürchterlich. Sie scheint halb wahnsinnig zu sein vor lauter Angst. Und ich verstehe kein einziges Wort: »Segítség!! Eröszak!! Rendörség!! Megeröszakoltak!!! Hívja a rendörséget!!!«
Und immer wieder flehentlich, voller
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