Notruf 112
sich die Kollegen für unseren 50-Tonnen-Kran, der vom anderen Ende der Stadt anrückte – nunmehr begleitet vom Blitzlichtgewitter diverser Pressefotografen und dem unüberhörbaren Gelächter der Anwohner, deren Schar unaufhörlich wuchs und die mit wachsendem Vergnügen unseren millionenschweren Fuhrpark bestaunten. Doch das rot-weiß getigerte Objekt unserer Bemühungen hatte sich mittlerweile unsichtbar gemacht. Der Kran scheiterte in dem schwierigen Gelände letztlich an seiner gewaltigen Ausladung. Und ich saß in der Leitstelle und griff mir ans Hirn. Was ging da draußen eigentlich vor und wer würde wohl als Nächstes bestellt? Der Tierarzt mit dem Betäubungsgewehr? Ein Holzfällerkommando? Der Rettungshubschrauber? James Bond?
Drei Stunden und gut 100 Liter Diesel später waren 14 gestandene Feuerwehrmänner mit ihrem Latein am Ende. Ich konnte sehr gut nachfühlen, wie blöd sich die Kollegen vorkommen mussten. Ich habe selbst einmal eine Katze vom Drehleiterkorb aus 18 Meter in die Höhe verfolgt. Zum Dank griff sie mich dann wie ein wilder Tiger an. Trotz kompletter Schutzkleidung und dicker Handschuhe gelang es mir nicht, diese kleine Furie zu bändigen. Am Ende ließ sie sich einfach fallen und ich fürchtete schon das Schlimmste. Stattdessen landete sie geschmeidig wippend im Rasen, schüttelte sich und marschierte ohne sonderliche Eile offensichtlich beleidigt und augenscheinlich unverletzt heim. Dabei würdigte sie den Blödmann da oben in seinem komischen Korb keines Blickes mehr. Sie sind halt eine Kategorie für sich, diese Katzen.
Wir rückten also auch in diesem Fall erfolglos ab und überließen Sissy samt Frauchen vorerst ihrem Schicksal. Am Nachmittag dieses denkwürdigen Tages meldete sich die Besitzerin ein wenig kleinlaut ein weiteres Mal in der Leitstelle. Sie wolle sich nur noch mal recht herzlich bedanken für den großen Aufwand und teilte uns ferner mit, dass Fräulein Sissy soeben allein vom Baum gestiegen und wohlauf sei.
Ich fürchte mich schon vor dem Tag, an dem sie uns erneut um Hilfe bitten wird.
Jamuna Toni
Kaum ein Tierschicksal hat die Münchner so sehr bewegt wie die traurige Geschichte des erst sieben Monate alten Elefantenkindes Jamuna Toni, das kurz vor Weihnachten 2009 im Münchner Tierpark Hellabrunn zur Welt kam. Im Frühjahr 2010 hatte ich noch Tränen gelacht, als die Kleine mit einem pinkfarbenen Riesen-Osterei über die Außenanlage tobte und sich in ihre heiß geliebten Schlammbäder stürzte. Als uns im Juni ein Hilferuf aus Hellabrunn erreichte, war ich ehrlich betroffen. Das kleine Mockelchen – so wurde Jamuna Toni in Hellabrunn genannt – war sterbenskrank. Sie litt unter einer unerklärlichen Krankheit, die ihre Knochen brechen ließ wie Glas. Möglichst aufrecht in einer Tragevorrichtung hängend und unter größtmöglicher Geheimhaltung, sollte das Elefantenkind daher so schnell wie möglich in eine Klinik für Großtiere nahe Augsburg verlegt werden. Aber wie und in was für einem Fahrzeug bringt man einen schwer kranken Elefanten heimlich aus der Stadt?
Alle Hoffnungen der Tierpfleger und Tierärzte ruhten plötzlich auf uns. Und ich fühlte augenblicklich eine elefantöse Last auf meinen Schultern. In meiner Not rief ich den Fahrzeugmeister der Feuerwache 6 an, der bekannt ist für sein bestens bestücktes Sondergerätelager. Alle Feuerwehrleute sind Meister der Improvisation und einer hat eigentlich immer eine zündende Idee. Der Kollege hatte zwar kein geeignetes Material auf Lager, aber er enttäuschte mich nicht: »Hast du schon mal Paul gefragt?« Ja klar, Paul!
Die Münchner Berufsfeuerwehr betreibt eine eigene Sattlerei, in der unter anderem unsere Stiefel repariert und unzerreißbare Planen und Taschen für allerhand Gerätschaften genäht und gerichtet werden. Kollege Paul ist von Beruf Sattler. Und fuhr an jenem Tag zu unser aller Glück Rettungsdienst.
Als ihn am Vormittag mein Notruf erreichte, war er gerade mit einem Patienten unterwegs ins Schwabinger Krankenhaus. Sein Wachabteilungsführer erkannte jedoch sofort den Ernst der Lage und ließ ihn ablösen.
Paul hat in seinem Leben schon alles Mögliche ausgemessen, aber noch nie ein 180-Kilogramm-Baby im Zoo. Angesichts der Situation entschied er sich für eine flexible Netzkonstruktion, in der das arme Tier in jenen warmen Frühsommertagen möglichst wenig schwitzen würde. Er trieb sogar kurz vor Geschäftsschluss noch einen geeigneten Lieferanten auf. Ein alter Freund noch
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