Nova
sachlich zu erscheinen, wie jemand, der das Unvermeidliche und Geschehene hinnimmt und lediglich Lehren daraus zieht. Wie jemand, der trauert, aber rationell und ökonomisch.
Die Tätigkeit zählte, der Erfolg – wo blieb ich selbst?
Doch was nützen mir heute meine Gedanken? Ich hätte das damals erkennen und auch danach handeln müssen.
Die verschärften Vorschriften überschwemmten uns wie eine Springflut. Zusätzlich schränkten uns die Verantwortlichen auf der Marsbasis von ihren Schreibtischen her noch mehr ein, obwohl keiner dabeigewesen war. Sie operierten nach der Statistik, wir mußten arbeiten. Es ärgerte mich maßlos.
Wiederholt wurde in diesen Tagen die zweite Hypothese diskutiert, nach der es sich um einen verlassenen Stützpunkt handelte. Die Physiker lehnten das energisch ab. Die Untersuchungen der angrenzenden Gesteinsschichten wiesen eindeutig auf Landeprozesse des Fremdkörpers hin. Schmelzartige Ergußrinnen mit Tektiden – so etwas erzeugen unsere Raumschiffe auch.
Nur: Das Wrack besaß eben keinerlei Ähnlichkeit mit unseren Schiffen. Weder von innen noch von außen.
Ich tippte auf den Plan vor uns. »Der Schleusengang ist hier mit fünfzig Metern eingezeichnet. Gibt es Abzweigungen? Was kommt danach?«
Leo, als Wortführer, zeigte wieder ein nichtssagendes Gesicht; nagte lediglich auf der Unterlippe. Bei ihm ein Zeichen mangelnder Sicherheit. »Abzweigungen haben wir vier gefunden, aber sie führen in eine Sackgasse. Mit dem Telearm der Parasonic vier Meter, dann endet jede Biegung an einem Gittergerüst von einigen Millionen haarfeiner Bohrungen. Vorn, am Ende des Ganges, befinden sich mehrere drehbare Facettenspiegel mit irgendwelchen Warzen daran. Komisches Zeug. Sieben Stück. Weiter sind wir nicht gekommen. Hier müßten Roboter arbeiten, aber die sind ja noch nicht eingetroffen. Es ist besser, erst einmal in südwestlicher Richtung vorzustoßen. Dort befindet sich das Kanallabyrinth.«
Wir beendeten das Gespräch. Ebell und Leo verließen uns. Während Lech zwei von unseren Parasonics vorbereitete, ließ ich einige Videokassetten durch den Monitor laufen. Manches hatte ich schon einmal gesehen. Unbegreifliche Konstruktionselemente, scheinbar sinnlos zusammengesetzt. Und doch erfüllte alles seinen Zweck – oder hatte ihn zumindest bis zur Katastrophe erfüllt. Nur verstanden wir nichts davon. Unsere Analoglogik versagte einfach. Schon bald war mir klargeworden, daß nur exakte Detailvermessung uns weiterbringen würde und das mühselige Zusammentragen vieler kleiner Puzzlestückchen, um schließlich das Ganze zu begreifen.
Mühselig und schematisch…
Bei dieser Überlegung erinnerte ich mich an Eileen. Sie war es gewesen, die uns in der letzten Ideenkonferenz Schematismus vorgeworfen und verlangt hatte, unsere Denkweise zu überprüfen. Schematismus bedeute Enge, eingefahrene Gleise, aus denen man nur schwer wieder ausbrechen könne, und Alternativlosigkeit, Formalismus – und Dummheit. Letzteres hatte sie nicht gesagt, ich hörte es aber aus ihrem Ton heraus. Sie operierte mit beispielloser Intuition, und wir machten geschlossen Front dagegen.
War es das, was sie bedrückte?
Ich mochte nicht weitergrübeln, scheute mich vor der Auseinandersetzung mit mir selbst. Es ist schon so; es gibt Momente, da drückt man sich vor der nackten, unerbittlichen, manchmal auch schmerzlichen Konsequenz eigener Überlegungen. Man erahnt sie, möchte sie jedoch nicht artikulieren, weil sie unbequem sein könnten.
Wir begaben uns nach Leos Vorschlägen in die Kanalzone. Sie war eng und verwinkelt. Das fremde Metall reflektierte das Viererbündel des Scheinwerferkomplexes nicht überall gleichmäßig. An manchen Stellen lag das Albedo so hoch, daß es blendete, dann wieder wurde das Licht fast verschluckt. An jedem unbekannten Konstruktionselement stellten wir minutenlang Parasonics auf, und erst wenn ihre Zeiger auf Null verharrten, gingen wir weiter. Hier hingen überall die merkwürdigen Fäden herab, deren Enden zerfasert und ausgefranst waren. Ich vermutete Zerfallserscheinungen.
Plötzlich stoppte Lech so abrupt, daß ich auf ihn prallte. »Warte«, sagte er ruhig. »Hier tut sich etwas.«
Der Indikator für elektromagnetische Felder auf meiner Sonic verfärbte sich. Langsam, aber doch bemerkbar, bewegten sich jetzt die Fäden. Sie verloren ihre träge Schlaffheit, streckten sich behutsam und… mir stockte der Atem; ich fuhr herum.
Im gesamten Gang vor und hinter uns vereinigten sie sich tastend
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