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Nova

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Titel: Nova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Kober
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habe keinen Stammplatz. Wolken mag ich nicht, sie verdecken die Sicht zu den Sternen und Planetoiden, obwohl man die nicht sehen kann.
    Auf einem bin ich vor vielen Jahren gewesen. Sicher erinnern sich noch viele an seinen Namen: VESTA.
Manche Leute fragen mich heute noch danach, wenn sie erfahren, daß ich Teilnehmer der Expedition war. »Wie war das denn? Ist das wirklich wahr? Schade, daß man…« und so weiter.
Ich mache mir nichts mehr vor. Es ist nur eine Anhäufung neugieriger Floskeln, die einem alten Mann Interesse an seiner Person heucheln sollen und noch nicht einmal den Drang nach Information in sich tragen. Sie haben wenig Zeit, die jungen Leute. Sie hasten nach Neuem, und viele jagen einem Ziel nach, das außerhalb ihrer selbst liegt. Betuliche Rückschau, gewürzt mit persönlichen Erfahrungen, das mögen sie nicht besonders.
Nichtssagende, leere Fragen sind es für mich, denn sie treffen nicht das, was für mich so wichtig war und von dem ich glaube, daß es auch für andere wichtig sein kann.
Dabei war es nichts Aufregendes; nur ein Stück Leben, das sich mir näherte, ein Quentchen Wahrheit, eine, die man anfassen und greifen und fühlen kann und mit nach Hause tragen in die eigene heimliche Schatzkammer. Ja, ich habe es anfangs versteckt…
Aber das ist doch etwas Besonderes – oder?
Heute denke ich über viele Dinge, die uns damals betrafen, anders, doch zu jener Zeit war ich noch auf der Suche nach mir selbst, und es dauert oft lange, bevor man sich findet. Vor vielen Jahren jedoch, auf VESTA, fiel es mir schwer…
    Ich traf Eileen auf dem Gang zur HTA, der Hypno-Therapeutischen Abteilung. Ich wollte gerade zum Einsatz. Ihr Gesicht war voller Ernst, das Haar sah zerzaust aus. Ihre dunkelbraunen Augen blickten matt und müde.
    Schon vor Tagen waren mir Eileens Zurückgezogenheit, ihre Schweigsamkeit und unmotivierte Grübelei aufgefallen. Unmotiviert natürlich nur für mich, denn ich vermochte mir ihr Verhalten nicht zu erklären, obwohl ich geglaubt hatte, sie gut zu kennen.
    Wie oft meint man nach einem salopp geführten Gespräch, einem herzlichen Lachen und anderen Äußerlichkeiten, man könnte einen Menschen schon einschätzen – wenn er sich nur so gab, wie man ihn in einer selbstgefertigten Schablone sehen wollte. Ein Trugschluß, dem auch ich erlag. Ich war früher schnell bereit, über andere zu urteilen, doch häufig mußte ich meine Meinung wieder revidieren.
    Ich mochte sie. Ihre anscheinend unkomplizierte, energische Art gefiel mir und hatte mich in den letzten Wochen dazu gedrängt, ihre Nähe zu suchen, aber jetzt, auf dem Gang, wich sie mir plötzlich aus. Und schlimmer noch: Sie schien ein Problem zu haben, das sie nur der Maschinentherapeutik anvertrauen wollte. Dabei wäre ich froh gewesen, hätte sie mit mir gesprochen.
    War es Strangers Tod? Nahm sie sich den Unfall so zu Herzen?
»Eileen…«
Ich hielt sie an der Schulter fest, als sie wortlos vorübergehen wollte. Sie schüttelte die Hand ab. Ihr Blick drückte Abwesenheit und Prüfung zugleich aus.
»Was ist?«
»Du gehst in die HTA?«
»Ja.« Die Antwort war so voller Abwehr, daß sie keine Diskussion zuließ. Es war der Ton, der mich kränkte und mich mit dem Gedanken spielen ließ, später einmal die Maschine anzuzapfen, um herauszufinden, was sie dort gebeichtet hatte. Das wäre zwar ein Vertrauensbruch gewesen, aber ich redete mir ein, ich sei verpflichtet, ihr als Mensch zu helfen.
Man braucht etwas Falsches nur stark genug zu wollen, und schon mogelt man sich um das Problem herum.
Daß es nur verletzte Eitelkeit war, weiß ich heute. Als Technotroniker hatte ich keine Mühe, heimlich in die Maschine einzudringen.
Die HTA war Teil des Biotechnotronischen Komplexes, des »Gehirns« unserer Station auf VESTA, in dem buchstäblich alles, einschließlich unserer Organtätigkeit und Psychoparameter, gespeichert und verarbeitet wurde. Aus diesem Komplex kamen Programmvorschläge für die Einsätze. Sie wurden aus äußeren und inneren Daten erarbeitet und waren eingebettet in ein globalstrategisches und sozialhygienisches Schema, nach dem wir uns zu richten hatten. Nelson jedenfalls, unser Leiter, hielt sich mit Strenge und Akribie daran.
Die Psychotronik, wiederum Teil der HTA, die stabilisierend auf unsere Psyche einwirken sollte, verabscheute ich. In meinen Augen gestand, wer sie freiwillig in Anspruch nahm, seine Charakterschwäche ein. Leider gab es obligatorische Routinekontrollen, und auch die Wohnzellen waren

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