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November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

Titel: November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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für ihn entstünden, wenn er und seine Familie ins Hotel müßten. Sie werden es nicht für möglich halten, am Tag nach der Besetzung von Metz, er, der Gouverneur. Wir wechselten Blicke, Mirman gab eine ausweichende Antwort. Da legte sich aber der schon nicht mehr schüchterne Herr noch stärker ins Zeug und schlug vor, alle Büros zu verlassen und nur ein paar Zimmer für sich und seine Familie zu behalten. Bitte bitte nur dies. Eine klägliche, eine grauenhafte Szene. Wir trauten unsern Ohren nicht. Ich versichere Sie, meine lieben Freunde, wir waren erstarrt. Wir fragten uns: Was ist das, ist das wirklich nur dummer und privater Egoismus, ein so naiver, ich möchte sagen, frecher Egoismus, daß er es wagt, sich ruhig in einem solchen Augenblick zu entlarven – oder ist es eine List? Glaubt er vielleicht, wir haben zwar einen Waffenstillstand, aber nachher kommt alles doch anders? Mirman wurde eiskalt. Er antwortete: man habe zu wählen, wer im Hotel wohne, der von der französischen Republik ernannte Kommissar oder der Herr Baron, der in der Stadt nichts mehr repräsentiere. Ob er Handwerker für den Umzug benötige. Die Audienz war beendet.«
    Man saß verblüfft. Die Dame meinte: »Es wird keine List gewesen sein. Er ist ein Typ, ein Harpagon. Der alte Mann will sich seine Ordnung nicht nehmen lassen.« Der Advokat nickte fröhlich: »Im Krieg.«
    Der kahlköpfige Lothringer meinte, er hätte ähnliches bei Deutschen, mit denen er während des Krieges in Berührung kam, beobachtet. Der einzelne ist klein und gewöhnlich. Mancher, vor dem man sich im Büro fürchtete, enthüllt sich als völlige Schafsnase. Aber das Kommando, das Amt, das macht ihn schrecklich. »Der Baron, der Exgouverneur, stand plötzlich ohne sein Korsett da, und nun sehen Sie ihn.«
    Barrès war nicht zufrieden, er tippte nervös auf die runde Marmorplatte: »Sie übernehmen also die These, daß die Deutschen eigentlich gute Menschen sind und daß nur die Hohenzollern, die Generäle, der Generalstab sie zu dem gemacht haben, als was sie sich im Krieg erwiesen.« »Man braucht es nicht so weit zu treiben«, bremste der Redakteur, der einen Sturm heraufziehen sah. Aber das Wetter brach schon los. Barrès hatte eine nonchalante, reservierte Art zu sprechen. Jetzt legte er beide Hände an die Atlasaufschläge seines schwarzen Gehrocks: »Sie treiben es nicht so weit, meinen Sie. Wo ist aber die Grenze? Merken Sie nicht, daß man mit solchen Wendungen auf eine gefährliche schiefe Ebene gerät. Da!« Er hatte mit einer kleinen Drehung nach rechts und mit einem Griff neben sich – merkwürdig, mit welcher offenbar schon präparierten Sicherheit – einen ledergebundenen Band aus der Bibliothek gezogen: »Romain Rolland. Jean-Christophe Krafft und die Überlegenheit der deutschen Rasse. Doktrin der Sorbonne nach 1870. Er sang den Ruhm Deutschlands. Und nun der Krieg, die Greuel, Miß Cavell, Dinant, die Torpedierung der Lusitania. Diese vollkommenen Deutschen! Das Experiment, erkennen Sie es nicht? Diese wohlmeinenden Professoren, wie sie die Welt vernebelt haben. Rolland ist durch den Krieg widerlegt. Sein ganzes Werk hat Bankrott gemacht. Was wir erlebt haben, ist die Entlarvung der Philosophie der Eroberer. Romain Rolland, Frankreich lehnt ihn ab, wie es Caillaux, Malvy und Almereyda verwirft. Wohin wird er flüchten, um dem Urteil, das über ihn gesprochen ist, zu entgehen!«
    Der Lothringer nahm einen Schluck Kaffee und meinte friedlich: »D’accord. Was Romain Rolland anlangt, so haben wir alle die Nachricht gebracht, daß die Stadt Wien bei Kriegsbeginn französische Stücke vom Spielplan absetzte. Aber bald spielte man Romain Rolland. Conclusion: er ist für sie nicht Franzose. Und er hat in Wien nicht protestiert.« Barrès, mit einer leichten Kopfbewegung gegen den Hausherrn, stellte das Buch wieder an seinen Platz. Die Dame blickte zur Seite, ihr Gesicht flammte, sie hätte Rolland herausnehmen müssen, daß er auch grade neben ihm stand. Sie bot, um ihre Verlegenheit zu verbergen, den Herren Zigaretten an, rauchte selbst. Barrès, der nichts gemerkt hatte, steckte noch in seinen Gedanken. Er dankte leise, die Augenlider gesenkt, er rauche nicht, er müsse sich damit begnügen, den angenehmen Duft der Zigaretten anderer einzuatmen. Und er führte seinen Gedanken weiter, während der junge Advokat sein strenges erdfarbenes Gesicht betrachtete, das so kalt und unbeweglich schien, der Maske von Pascal ähnlich. Jemand hatte gesagt: er

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