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November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

Titel: November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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steht alles wie zuvor. Hat sich nichts geändert. Hat Gott nichts gesehen. Soll alles – noch einmal auf mich fallen.
    Sie ging nach Hause. Inzwischen dachte sie: Und diese Anny verrät ihren Mann, der sie vergöttert hatte, und ihr Sohn fällt, und sie ist noch so falsch, mich zu fragen, ob Bernhard mir geschrieben hat.
    Im Bett weinte sie vor Scham und Wut. Sie war am Morgen entschlossen, nach Deutschland herüberzugehen. Aber irgend etwas hielt sie zurück, so leicht wollte sie es denen da nicht machen.
    Liebe ich ihn noch, hänge ich an ihm noch, gräßlich wie zuvor, will ich mich wieder zerfleischen lassen und ihn zerfleischen und mich von ihm entwürdigen lassen und nicht wegkönnen? Der Mörder. Was hat er mit meiner Jugend gemacht. Hatte ich noch ein Selbst?
    Und sie legte sich auf die Folter der vier Tage, die kommen sollten, bis Sonntag, wo sie ihm begegnen würde.
    Sie war täglich in der Kathedrale. Sie stand davor und fragte: Hat der Krieg nichts verändert?
    Sie ging hinein und beruhigte sich.
    Und wie sie heraustrat und auf dem Platz stand, seufzte sie wieder und staunte: Aus welchem Stoff hat Gott uns gemacht.

Vom tiefen und gefährlichen Deutschland
    Maurice Barrès kam in Straßburg an, voll von den Metzer Eindrücken. Er wohnte bei einem jungen Advokaten Kössel, der ihn kurz vor dem Krieg in Paris in Neuilly besucht hatte. Kössel, ein Bewunderer seiner Kunst, lud ihn schon damals ein, wenn ihn einmal der Weg nach Charmes führe, in seinen Heimatort, und er alte und neue Freunde in Straßburg sehen wollte, sein Gast zu sein. Aber dann reiste Barrès, der alte Hellenist, in seinen geliebten Süden, in den Orient, bis die Alarmglocke über Europa zu läuten anfing, nach dem Attentat von Sarajewo. Barrès, nach Frankreich zurückgekehrt, erlebte die Erregung und den Enthusiasmus und die Tränen des Kriegsbeginnes, das Aufbrechen eines Abgrundes unter dem dünnen Boden des bürgerlichen Menschseins, erlebte die Angsttage und die Räumung von Paris Ende August, Anfang September. Er verließ aber die Stadt nicht, die plötzlich eine Kleinstadt geworden war; wie er sich altern fühlte. Nun, nach diesen fünfzig Monaten, kam er nach Straßburg. Stolz wie ein Jünger auf den Besuch eines heiligen Mannes nahm ihn der Straßburger Advokat auf. Abends, zum Diner, lud das junge Ehepaar noch einen lothringischen Zeitungsbesitzer hinzu, einen älteren kahlköpfigen Mann, der mit Barrès von Metz herübergekommen war, um dem Einzug des Marschall Pétain beizuwohnen. Nach dem Essen saßen sie in der sehr geräumigen und wohligen Bibliothek, zugleich dem Musikzimmer des Advokaten, auf dem Ecksofa beim Kaffee.
    »Man kommt sich wie ein junges Brautpaar vor«, wiederholte Barrès, als er sich niederließ, »man hat beide Arme voller Blumen, man lacht, man winkt.« Die junge kleine, sehr blonde Frau erzählte, was sie heute auf der Straße gesehen habe. Es war ein Delirium, ein Taumel. Barrès sagte: »Ein Meer von Glück.« Die Dame: »Junge Elsässerinnen küßten französische Offiziere. Es ist niemals in Straßburg soviel geküßt worden.«
    Der Lothringer mit dem kahlen Schädel, ein ernster spitzbärtiger Herr, machte seine versonnenen Augen noch kleiner: »Es gibt auch anderes. Wir hatten schwere Tage. Sie haben davon gehört, Barrès. Es gibt Mädchen – ich kann Ihnen die Namen nennen –, die in der finsteren Zeit schworen, den Schleier zu nehmen, wenn Gott das Elsaß wieder an Frankreich fallen lassen würde.« Barrès winkte: »Ich weiß.« Er hatte eine hohe schmale Figur. Sein Gesicht, lang, gelblich, mit einer geschwungenen Nase, einem dichten dunklen melancholischen Schnurrbart, sah eigenartig aus; man begriff, warum einige sagten, er müsse Zigeunerblut in sich haben, aber er stammte von der Mosel und mütterlicherseits von Auvergnaten. Seine schwarzen Haare klebten in einer dünnen Lage am Kopf: »Seien wir froh und dankbar. Die Tage der schlimmen Herren sind vorbei. Sie werden lange keine Möglichkeit finden, schlimm zu sein.«
    Er blickte in seine Kaffeetasse, machte mit seiner flachen Hand eine kleine Bewegung: »Ich will Ihnen etwas erzählen. Hören Sie, was ich am Mittwoch erlebte, an diesem Mittwoch, in Metz. Ich begleitete den Präfekten Mirman aus Nancy, der jetzt Zivilgouverneur der Republik für Metz geworden ist. Wir verließen gegen neun Uhr morgens unser Hotel, um in den Gouverneurspalast zu gehen, der nun wieder Sitz eines französischen Präfekten ist. Das Tor trägt noch den

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