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Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter

Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter

Titel: Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damian Raye
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haben!
     
    Nox bestärkte Anne in ihrer Sichtweise der Dinge; sie schien sich ihre Niederlage einzugestehen, reichte Anne die Hand und gratulierte ihr, trat lächelnd, mit gesenktem Blick zu Alan, nahm auch seine Hand und – die Wirklichkeit verlangsamte sich.
     
    Wer ein Unglück erlebt hat, weiß, dass es in winzige Bruchstücke zerlegt ablaufen kann wie in Zeitlupe, mit seinen Opfern als hilflose Betrachter.
     
    Alan blickte Anne noch einmal an, ernst, rätselhaft, ohne Heiterkeit, mit einem Gesichtsausdruck, den sie noch nie an ihm gesehen hatte – Anne bemerkte das Unglück in seinem Gesicht, das sagte: Es schmerzt mich unaussprechlich, was ich jetzt tun muss, aber ich muss es tun. Kein Ausweg, kein Umweg, kein Weg zurück. Wortlos wandte er sich ab und ging davon, ohne zurückzublicken – mit Nox an seiner Seite, die wie zum Hohn, mit jedem ihrer überzogen koketten Schritte sagte: Du bist besiegt, Anne Oxter!
     
    Mit jedem weiteren Schritt näherten sie sich erstaunlich schnell dem Horizont. Oder war es umgekehrt, stürzte der Horizont ihnen entgegen? Gegen das diffuse Licht des Himmels sah es aus, als ob sich ihre beiden Silhouetten in der Ferne vereinigten. Was zum Teufel, fragte sich Anne, war geschehen?
     
    Was war denn das für ein böses, schreckliches, teuflisches Ritual? Ich bin die Braut, wollte sie rufen, aber sie bekam keinen Ton heraus in diesem Alptraum. Sie wollte Alan folgen, mit ihm reden, ihn fragen: Warum? Aber die schwarze Armee versperrte ihr den Weg. Sie geriet, aufgeregt wie sie war, ins Straucheln, überschlug sich, verlor ihre Schuhe, die Lanze eines Gardisten zerriss ihren Schleier, sie stürzte die Treppen das Altars hinab, schnell und immer schneller, sah unter sich in ferner Tiefe nur noch wirbelndes Wasser, gierige Wogen mit weißen Schaumzähnen, die sie und ihre Tränen verschlingen würden …
     
13. Oktober 2010
    Als Anne aufwachte, plagte sie kein Zustand zwischen Traum und Wirklichkeit. Anders als bei ihren sonstigen nächtlichen Treffen mit Nox war ihr kristallklar, dass sie geträumt hatte, dass sie diese teuflische Vermählung nicht wirklich erlebt hatte. Oder war dieses Desaster doch geschehen, drüben, in der bösen Welt Nethernox? Es gab einen Beweis für die Realität des Irrealen – der Ring an ihrer Hand. Er war ein untrügliches Zeichen für das Geschehen der letzten Nacht und sagte ihr, dass sie Alan nicht wieder sehen würde. Dennoch versuchte sie ihn anzurufen – er antwortete nicht. Er würde auch an einem der nächsten Morgen in der Zukunft nicht vor ihrer Tür stehen …
     
    Der Ring! Er bewies nicht nur, dass Alan sich von ihr getrennt hatte, sondern zugleich, dass jedes Ereignis der vergangenen Wochen Wirklichkeit – magische Wirklichkeit – gewesen sein musste, dass die Verbindung von magischer Ursache und realer Wirkung tatsächlich bestand, dass Anne für alles verantwortlich war, was sie in ihrer nächtlichen Existenz als Nox Eterna angerichtet hatte. Sie wollte das vergessen, auf jeden Fall durch nichts daran erinnert werden, zog den Ring von ihrer Hand, öffnete das Fenster, warf ihn nach draußen auf die Straße.
     
    Ein paar Sekunden lang hielt sie inne, das ganze Universum stand für sie still.
     
    Das letzte, was ich von Alan bekommen habe, schoss es ihr dann durch den Kopf, und sie nahm ihre Jacke, wollte zur Tür gehen, um unten nach dem Ring zu suchen.
     
    In diesem Augenblick klopfte jemand.
     
    „Anne? Mach auf, Kind!“
     
    Annes öffnete sofort. Wie froh sie war, jetzt ein Kind sein zu können. Und wie gut, dass ihre Mutter neben ihr stand und sie schützte – schützte auch vor den Pflegern, die sie wieder zu einer Patientin machen wollten. In Bruchteilen eines Augenblicks hatte ihre Mutter begriffen, dass Anne jetzt gesund war, nur noch müde und traurig wie ein Kind nach einem zu wilden Spiel.
     
    „Ich soll dich übrigens von Tom Shipe grüßen“, sagte Annes Mutter, froh ein Thema gefunden zu haben, dass von dem Wahnsinn der vergangenen Wochen ablenkte. „Er hat angerufen, um sich zu entschuldigen, und da sind wir ins Gespräch gekommen. Ich glaube, ich habe ihn vor einigen Wochen nicht ganz richtig eingeschätzt. Er hat etwas … Faszinierendes, ich meine geistig …“
     
    Tom … Alan … Nox … Annes Verstand war zu strapaziert für komplexere Überlegungen. Sie war jetzt einfach nur … tot. Alles weitere vertagte sie auf morgen – wann immer das sein mochte.
     

XIII
     
16. Mai 2011
    Anne Oxters neues

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