Nr. 13: Thriller (German Edition)
Familien wollen nichts mehr von ihnen wissen. Ihre Ehen sind zerrüttet.“
„Oh, bitte! Was sind das für Probleme im Gegensatz zum Leid der Jungs und Mädchen, die nie ein normales Sexualleben führen werden? Die sich schwertun, Beziehungen einzugehen, weil ihr Grundvertrauen zerstört wurde? Die noch unter Albträumen leiden, wenn sie schon erwachsen sind?“ Gitte redete sich in Rage. Die Haut an ihren Oberarmen flatterte, während sie in der Luft nach imaginären Fliegen schlug. „Falls die armen kleinen Stöpsel den Übergriff überhaupt überlebt haben.“
„Die Bürgerwehr …“ Daniel war sehr wohl aufgefallen, dass sie von Wehr und nicht von Initiative gesprochen hatte, was ihre Einstellung verdeutlichte. Wenn es hart auf hart käme, würden sie und ihre Bekannten wohl auch nicht vor Gewalt zurückschrecken. „Und Ihre Mutter? Macht sie auch mit?“
„Machen Sie sich nicht lächerlich!“ Mit dem Handrücken wischte sie sich über den Mund und verschmierte ihren rosa Lippenstift. „Sie wissen doch, dass sie nicht gehen kann.“
„Ich sage ihr die Reime“, rief Elisabeth Hamacher freudig. „Sie hat ja selbst keine Kinder. Hat nie ’nen Freund gehabt. Wahrscheinlich ist sie sogar noch …“
Plötzlich blaffte Gitte, sodass Speichelfetzen umherflogen: „Halt die Schnauze, alte Wachtel!“
Leander zuckte zusammen.
Daniel indes dachte, dass die Masken langsam fielen. Gitte Hamacher gab sich nach außen hin gepflegt und freundlich, doch in Wahrheit war sie ein Messie und streitsüchtig. Vielleicht projizierte sie auch die Aggression, die die Pflege ihrer Mutter und deren Sticheleien in ihr auslösten, auf das Haus Nummer 13.
Wie auch immer es sich verhielt, Elisabeth Hamacher bekam mit, dass ihre Tochter die verurteilten Straftäter als Teufel in Menschengestalt betrachtete, sich mit ihren Bekannten traf, eventuell sogar im Nebenzimmer, und öffentlich gegen die Kinderschänder vorging. Es war zu befürchten, dass die alte Dame durch ihr Fernglas eine harmlose Szene beobachtet und sie falsch interpretiert hatte. Gitte Hamacher, die den Groll gegen das Haus Nummer 13 schürte, hatte ihre Mutter offenbar mit ihrem Hass gegen die „Perversen“ infiziert.
Seufzend fuhr sich Daniel durch die Haare und warf einen Blick in Richtung Ausgang. Die Aussage der alten Dame war nicht glaubwürdig genug, um einen Anlass zur Ermittlung zu bieten.
„Er hat sie gewürgt“, sagte Elisabeth Hamacher in die Stille hinein. Sie legte die Hände an ihren Hals.
Überrascht wachte Daniel aus seinen Gedanken auf. Er fuhr zurück zu ihrem Bett. „Wie bitte?“
„Und hat ihr …“ Mit dem Daumen fuhr sie quer über ihre Kehle.
Dasselbe Tötungsvorgehen wie bei der Leiche in der Mikwe , durchfuhr es Daniel. Er setzte sich gerade auf und umgriff die Armlehnen fest. Zudem sahen beide ermordete Frauen burschikos aus. Konnte das Zufall sein? Das eingebildete Kribbeln in seinen Fußsohlen kehrte zurück. Er genoss es. Denn es war alles, was er an den Beinen spüren konnte.
Plötzlich schrie Elisabeth Hamacher wie von Sinnen. „Hiiilfe! Lass sie mich nicht holen kommn, Gittchen. Halte sie auf!“
„Oh, nein! Der Stimmungsring färbt sich rot.“ Gitte Hamacher stolperte fast über ihre eigenen Füße, als sie zurück zu dem Matratzenlager eilte.
„Biiitteee. Die Kerle wolln mich fressn. Schneidn mich in Häppchen“, erneut zog die alte Dame ihren Daumen über ihre Kehle, diesmal hinterließ ihr Fingernagel einen blutigen Kratzer, „schluckn mich in Stücken runter und nehmn mich mit.“
„Ist ja gut, Mutter. Beruhige dich. Niemand ist hier, nur die netten Herren von der Polizei.“ Gitte tätschelte ihr die Wangen, dann rannte sie heraus. Mit einem Glas Wasser kehrte sie zurück. Sie schob ihrer Mutter, die nach ihr schlug, eine Tablette in die Wangentasche und flößte ihr etwas Flüssigkeit ein. Ein Großteil jedoch lief aus ihren Mundwinkeln auf ihre Strickjacke.
Unbeirrt zeigte Elisabeth Hamacher in eine Ecke. „Da stehn se doch. Ihre Augen sind rot wie Feuer. Die habn Messer groß wie Säbel. Peter, Peter Pustewind, blas se weg ganz windgeschwind.“
Ihr Brustkorb hob und senkte sich so rasch, dass Daniel befürchtete, sie könnte kollabieren. Leander holte sein Handy heraus, wohl um den Notarzt zu rufen, doch Gitte Hamacher winkte ab.
Eine Weile blies die alte Dame in die Richtung, in der sie die eingebildeten Eindringlinge sah, bis das Beruhigungsmittel wirkte. Ihr Blick wurde stumpf. Ihr
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