Nr. 13: Thriller (German Edition)
ich blöd inner Birne bin.“ Aufgebracht drehte Elisabeth Hamacher den Ring an ihrem Finger.
Als dieser seine Farbe von Blau zu Rot wechselte, meinte Daniel zuerst, sich verguckt zu haben.
Leander räusperte sich und schmunzelte. Offenbar dachte er dasselbe wie Daniel, nämlich dass er selbst diese Worte oft in den Mund nahm. Er warnte seinen jungen Kollegen mit einem Murren, wodurch dessen Lächeln noch breiter wurde.
„Wo genau?“, fragte Daniel und stellte sich quer hin, sodass er abwechselnd die Zeugin und das Nachbarhaus angucken konnte.
„In dem Zimmer rechts.“ Aufgeregt fuchtelte sie herum. „Jemand kreischte fürchterlich.“ Sie hielt sich die Ohren kurz zu. „Erst dachte ich, es wäre ’ne Möwe gewesn. Ja, ja, ich weiß, wir sind nich anner See, aber die gibt’s auch in Köln, die nisten auf den Rheinwiesen.“ Plötzlich zog sie sich augenscheinlich in sich zurück. Gedankenversunken schaute sie aus dem Fenster und schien weit weg zu sein, vermutlich einige Tage in der Vergangenheit.
Ungeduldig, da sie nicht weitersprach, klopfte Daniel auf die Armlehne. „Und was war es wirklich?“
Als sie ihn ansah, schien sie irritiert, als fragte sie sich, wer er war und was er in ihrem Zimmer tat. Ihr Blick glitt über Leander zu ihrer Tochter und klärte sich.
„Der Mord, Mama.“ Unentwegt strich Gitte Hamacher über die langen grauen Haare ihrer Mutter, die zu einem Zopf zusammengebunden waren und sich über das Kissen ergossen.
„Ich dacht an ein Kind. Bei den Perversen da drübn liegt das ja nah.“ Elisabeth Hamacher rieb über die Altersflecken auf ihren Armen, als fröstelte sie. „Aber es war ’ne Frau. Dann fragte ich mich, welche Frau traut sich schon in so ’n Haus rein?“ Jäh spuckte sie auf den Boden. „Eine Nutte ’türlich. Sie hatte allerdings nich viel zu bietn für ’ne Hure. Kleine Tittchen.“ Sie zwinkerte Leander zu, worauf dieser errötete. „Kerle wolln doch alle so ’ne Riesenballons haben wie meine.“
Bevor sie ihr Nachthemd aufknöpfen und ihren Busen entblößen konnte, hielt ihre Tochter sie davon ab. Gitte Hamacher verließ kurz den Raum, kehrte mit einer Strickjacke zurück und zog sie ihrer Mutter an.
Elisabeths Worte hallten in Daniel nach. Etwas regte sich in ihm. Grübelnd kraulte er seinen Mund-Kinn-Bart. So grausam es auch war, er holte sich das Bild der Mikwe-Leiche vor sein geistiges Auge. Eine Kindfrau, klein mit schmalen Hüften, die zu Lebzeiten keinen Büstenhalter gebraucht hatte. Im jüdischen Ritualbad war sie allerdings nur abgelegt worden, um irgendein Zeichen zu setzen. Hatten sie womöglich soeben den Ort gefunden, an dem das Opfer getötet worden war?
Er warf Leander einen Blick zu und ahnte, dass der Hospitant sich ebenfalls fragte, ob es sich um ein und dieselbe Frau handelte, denn tiefe Falten zeigten sich auf seiner Stirn und er presste seine Lippen aufeinander.
Daniel rollte näher an das provisorische Bett heran. „Welche Haarfarbe hatte die Frau?“
„Blond ’türlich, das sehn Se doch selbst“, sagte Elisabeth Hamacher ungehalten und zeigte auf die Hochsteckfrisur ihrer Tochter.
„Die Herren Kommissare meinen nicht mich.“ Gitte Hamacher verdrehte die Augen. Ihre Geduld bröckelte sichtlich, ihr Lächeln wirkte immer verkniffener. „Sondern die Frau, die so geschrien hat.“
Es dauerte eine Weile, bis die alte Dame antwortete. Ihre Pupillen zuckten hin und her, als müsste sie sich das gesamte Gespräch noch einmal ins Gedächtnis rufen, um zu wissen, worum es überhaupt ging. „Rot, wie nur Schlampen es tragn. Ich sach ja, es war ’ne Nutte.“
„Verzeihen Sie, ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten. Aber …“ Mit seinem Stift tippte Leander gegen seine Unterlippe. „Ich kenne das von meiner Großmutter. Im Alter lässt nicht nur die Kraft nach, sondern auch das Sehvermögen. Sie muss inzwischen eine Brille tragen und stolpert mehr als vorher, weil sie mit der Gleitsicht der Gläser nicht zurechtkommt.“ Verlegen lächelte er. Dann stellte er sich ans Bettende und zeigte zum Nachbarhaus. „Aber konnten Sie wirklich die Haarfarbe aus dieser Entfernung erkennen? Dabei hätte sogar ich Schwierigkeiten.“
Statt sich zu rechtfertigen, holte die alte Dame ein Fernglas unter ihrer Bettdecke hervor. Verärgert blinzelte sie ihn an. Ihr Ring wurde braun.
„Glauben Sie bitte nicht, dass sie die Nachbarn ausspioniert.“ Das Rot auf Gittes Wangen breitete sich langsam auf ihren Hals aus und strafte ihre
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