Nr. 13: Thriller (German Edition)
allerdings zur Abschreckung zwei Wochen Warnschussarrest aufgebrummt. Ben hatte sie über die Weihnachtsferien abgesessen. Zum einen, damit er nichts in der Schule verpasste, und zum anderen, weil man laut Gesetz die Strafe innerhalb von drei Monaten nach Verurteilung antreten muss. Trotz allem wollte er versuchen, sein Abitur auf dem Leonardo-da-Vinci-Gymnasium in Nippes in diesem Sommer zu machen. Marie hatte ihre Zweifel, dass er das nach der Hölle, die GeoGod ihm und seinen Eltern im vergangenen Herbst bereitet hatte, packen würde.
Benjamin brummte. „Doch, klar.“ Seine Skater-Frisur war herausgewachsen. Blonde Strähnen hingen ihm ins Gesicht, als wollte er sich dahinter verstecken.
Sie ließen Ossendorf hinter sich und fuhren in Richtung City. Dabei kamen sie automatisch durch Ehrenfeld. Marie musste an den Zeitungsartikel denken. Das Böse in Nummer 13. Unbewusst las sie die Straßennamen. Vielleicht führte ihr Weg sie ja an der Bruchstraße vorbei. Aber dann schüttelte sie den Kopf über sich selbst. Man sah einem Gebäude nicht an, ob schlechte Menschen darin lebten. Ja, man sah Menschen nicht einmal an, ob sie schlecht waren.
„War es sehr schlimm?“, fragte sie Ben vorsichtig.
„Alle machen da drin auf dicke Hose. Wer Schwäche zeigt, hat schon verloren. Wichser!“ Immer wieder saugte er seine Unterlippe ein und biss darauf. Sie war schon ganz kaputt. Einige Stellen mussten vor Kurzem geblutet haben.
Ben tat immer cool und lässig, aber in Wahrheit war er ein sensibler junger Mann. Seit geraumer Zeit ließ er sich gehen. Früher hatte er sehr auf sein Äußeres geachtet. Aber der Tod seiner Freundin Julia hatte ihn aus der Bahn geworfen und er hatte bisher nicht wieder zu sich selbst zurückgefunden. „Dann gib acht, dass du nicht wieder in eine Dummheit reingezogen wirst.“
„Keine Sorge, ich habe seit der Verhaftung nicht mehr gekifft.“ Impulsiv zog Ben den Reißverschluss seines blauen Hoodies hoch. „Warum ist Ma nicht mit dir mitgekommen?“
Marie spürte einen Stich im Bauch, aber diesmal kam das Unwohlsein nicht vom Wein. Um Zeit zu gewinnen und nach den richtigen Worten zu suchen, sah sie auf die Uhr, dabei wusste sie genau, wie spät es war. „Sie schaut sich mit deinem Vater gerade eine frei gewordene Wohnung in Dellbrück an. Ihre … eure Chancen stehen gut, sie zu ergattern, denn sie wurde bisher weder inseriert noch einem Immobilienmakler übergeben. Ist das nicht toll?“
„Dad macht heute frei und hat mich nicht abgeholt?“ Entrüstet riss Benjamin seine Augen auf.
„Meine Eltern treiben sie in den Wahnsinn!“ Wie jeden anderen auch, fügte Marie in Gedanken hinzu. Nachdem das Apartment der Mannteufels ausgebrannt war, hatten Rainer und Irene Bast ihnen angeboten, so lange in ihrer Villa zu wohnen, bis sie eine neue Bleibe gefunden hatten. Dankbar hatten Heide und Hans-Joachim angenommen, während Ben bei Marie und Daniel untergekommen war. „Dein Vater und deine Mutter haben es lange mit ihnen ausgehalten, aber jetzt wollen sie endlich ein eigenes Zuhause. Leider ist es bei der momentanen Situation auf dem Wohnungsmarkt nicht so einfach, etwas zu finden. Mein Dad hat einen Termin mit einem befreundeten Hausbesitzer in die Wege geleitet, und der ist leider ausgerechnet heute.“
„Sie haben mich im Stich gelassen.“ Als Ben Luft holte, flatterte sein Atem. Er zog sein Kölner-Haie-Cap bis in die Stirn und ließ seinen Kopf hängen.
Marie wurde schwer ums Herz. Sie versuchte, heiter zu klingen, aber selbst in ihren eigenen Ohren klang diese Fröhlichkeit aufgesetzt. „Nach der Besichtigung kommen sie auf direktem Wege zu uns. Sie bringen Kuchen mit. Hast du in der JVA noch zu Mittag gegessen?“ Da er schwieg, sprach sie weiter, denn die Stille schmerzte. „Ihr werdet schon bald wieder zusammenleben.“
„Da scheiß ich drauf! Vielleicht suche ich mir auch einen Job und ziehe in eine WG ein.“
„Auf keinen Fall! Du wirst weiter in deinem Zimmer bei uns wohnen bleiben.“
Er verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. „Ich habe keine Freunde und keine Eltern mehr.“
„Red nicht solch einen Unsinn!“, blaffte Marie. Jedoch konnte sie seinen Kummer nachvollziehen. Er war vom Regen in die Traufe gekommen. Erst hatte seine Mutter geklammert. Nun kämpfte sie um ihre Ehe, doch dabei blieb Ben auf der Strecke. Dabei brauchte er sie jetzt dringender denn je. Aber Marie würde sich um ihn kümmern.
„Sie geben mir die Schuld dafür, was GeoGod
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