Nr. 13: Thriller (German Edition)
unserer Familie angetan hat“, zischte er und schaltete das Radio an. Ein Rapper feuerte seine Worte wie Pistolenschüsse ab. „Damit haben sie sogar recht.“
„Du konntest ja nicht wissen, dass er ein Psychopath ist.“
„Das spielt keine Rolle. Sie haben sich von mir abgewandt. Um mich zu bestrafen.“
„Das stimmt nicht!“ Marie drehte die Lautstärke runter. „Sie haben eben ihre eigenen Probleme. Dir ist doch auch daran gelegen, dass sie ihre Ehe kitten, oder? Und dass sie endlich ein neues Apartment finden, damit ihr wieder zusammenwohnen könnt?“
„Ja, schon.“ Während Ben aus dem Seitenfenster starrte, knibbelte er an seinem Ohrläppchen.
Der Verkehr stockte vor einer Ampel, die bei jeder Grünphase nur drei Wagen durchließ. Marie schüttelte darüber nur den Kopf. „Aber?“
„Versteh mich nicht falsch.“ Zögerlich sprach Ben weiter: „Ich wohne gerne bei euch.“
„Trotzdem möchtest du lieber zu deinen Eltern zurück“, mutmaßte sie. Selbstverständlich hatte sie dafür Verständnis. Sie konnten ihm nur Freunde sein und nicht Mutter und Vater ersetzen, zumal sie beide viel arbeiteten.
„Nein, das ist es nicht. Ich finde es nur zum Kotzen, wie egoistisch sie sich verhalten.“ Einige Male drückte er seine Nasenflügel zusammen, als wollte er verhindern, zu niesen. „Ihr braucht doch auch mal Zeit für euch, Daniel und du. Ich störe doch irgendwie.“
„Tust du nicht!“, sagte Marie im Brustton der Überzeugung.
Endlich schafften sie es über die Ampel, die den Verkehr mehr aufhielt, als dass sie ihn regelte.
Benjamin atmete tief durch. „Ich weiß, dass es nach Daniels Unfall, der ihn in den Rollstuhl brachte, zwischen euch gekriselt hat. Aber jetzt versteht ihr euch doch wieder super und braucht meinen Raum doch bestimmt bald als Kinderzimmer.“
Seine Worte trafen Marie, als hätte er einen Dolch in ihre Eingeweide gerammt. Schockiert trat sie versehentlich auf die Bremse und gab sofort wieder Gas, damit niemand auffuhr. Ihr Hintermann hupte aggressiv. Sie griff das Lenkrad so fest, dass ihre Handgelenke weiß hervortraten.
Gequält lächelnd sah sie Ben kurz an. „Mach dir darüber mal keine Sorgen. Wir lieben dich wie einen eigenen Sohn! Bleib so lange bei uns wohnen, wie du möchtest.“
Rasch schaute sie wieder auf die Fahrbahn. Tränen brannten hinter ihren Augen. Benjamin machte sich keine Vorstellungen über das Ausmaß von Daniels Querschnittslähmung. Nichts war gut zwischen Daniel und ihr. Denn nichts war wie früher.
Marie ertappte sich bei einem gemeinen Gedanken. Sie wollte den alten Daniel Zucker zurück. Hieß das nicht gleichzeitig, sie wollte den neuen nicht mehr?
In diesem Moment kam sie sich unendlich schäbig vor.
9. KAPITEL
Schneeregen färbte den Himmel vor dem Bürofenster im Polizeipräsidium grau.
Daniel ärgerte sich über die vergeudete Zeit in Ehrenfeld. Und dennoch war ein Teil von ihm immer noch unruhig. Sein Unterbewusstsein hatte merkwürdigerweise noch nicht mit dem Mord, den Elisabeth Hamacher im Haus der Pädophilen und Sadisten beobachtet haben wollte, abgeschlossen, während er sich längst die Fallakte der Mikwe-Toten vorgenommen hatte.
Daniel hatte die Einsatzbesprechung am Morgen verpasst. Aufmerksam las er den Bericht, den Tomasz noch in der vergangenen Nacht verfasst hatte. Gegen die dunklen Halbmonde unter den Augen seines Kollegen half auch dessen Sonnenbräune nicht.
„Ob die Fötushaltung des Opfers eine Bedeutung hat?“, fragte Daniel.
Tomasz schaute von seinen Unterlagen auf. Einen Moment lang schien er irritiert. Dann klärte sich sein Blick, wohl weil er begriff, dass Daniel über die knabenhafte Frau sprach, die am Vortag wie ein Paket verschnürt ermordet aufgefunden worden war. „Sie hat wohl eher praktische Gründe.“
„Er hätte den Leichnam auch zerstückeln können, um ihn zu transportieren.“
„Möglicherweise war er zu Letzterem nicht fähig. Es kostet Überwindung und Kraft, einen Menschen in Stücke zu schneiden, und es macht eine Riesensauerei.“
„Er hat sie gewürgt und ihr die Kehle mit einem Messer durchtrennt“, erinnerte Daniel ihn. „Man kann ihn daher ohne Zweifel als brutal einstufen.“
Als Tomasz sich zurücklehnte, ächzte sein Stuhl. „Also muss er von Anfang an geplant haben, sie in die Mikwe zu bringen. Willst du das sagen? Dort fallen blutige Körperteile sofort auf.“
„Das tat die Leiche im Tauchbecken sowieso.“ Daniel nahm einen Kugelschreiber und pochte
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