Nr. 13: Thriller (German Edition)
sich ihre Blicke, sprang sie heraus. Sie preschte über die Tagesblätter, riss einige herunter und stürmte in einen Raum, dessen Tür eine Handbreit offen stand. Durch den Spalt machte Daniel Küchengeräte, herausgezogene Schubladen, Kleidung und Möbelstücke aus. Sie lagen wild verteilt herum und türmten sich bis zur Zimmerdecke. Die gelben und braunen Flecke darauf ließen ihn ahnen, dass er das Katzenklo entdeckt hatte.
„Ich bin in den letzten Tagen nicht zum Aufräumen gekommen. Einen alten Menschen zu pflegen macht viel Arbeit. Folgen Sie mir.“ Es war surreal, wie sie in ihrem Kleid und den Schuhen durch die zugemüllte Wohnung stöckelte. Offenbar hielt sie den schönen Schein nach außen hin aufrecht.
„In den letzten Tagen, so, so“, murmelte Daniel, worauf Leander ihn anstieß. Gitte Hamacher wollte bestimmt nicht aus Liebe zu ihrer Mutter keinen Pflegedienst beauftragen.
Er befürchtete ernsthaft, dass sein Rollstuhl nicht durch den schmalen Gang, der zwischen dem Altpapier verblieb, passte, aber irgendwie schaffte er es. Hinter ihm räumte Leander die Zeitungen auf, die er mit seinen Greifringen und Ellbogen heruntergerissen hatte. Immer wieder kreuzten Katzen seinen Weg.
Stirnrunzelnd schaute Daniel einer schwarzen hinterher. Sie verschwand unter einem Stapel mit leeren Plastikflaschen. „Wie viele Katzen haben Sie eigentlich?“
„Sechs, vielleicht auch sieben oder acht.“ Die Haut um ihren großen Leberfleck war vom nervösen Kratzen schon gerötet.
Überraschenderweise fand Daniel das Zimmer von Elisabeth Hamacher völlig frei von Müll vor. Gemütlich war es allerdings auch nicht und der Gestank ebenso Übelkeit erregend. Die Siebzigerjahre-Blumentapete wies Löcher auf. Darunter kam der raue Putz zum Vorschein. Einen Bodenbelag gab es nicht. Die Räder des Rollstuhls knirschten auf dem Beton, der mit Krümeln und anderen Essensresten übersät war. An einer Wand lagen drei dicke Matratzen aufeinander. Die alte Frau Hamacher, nicht minder füllig als ihre Tochter, richtete sich auf. Sie strahlte die Besucher mit nikotingelben Zähnen an. Der Aschenbecher stand auf einem Röhrenradio, das unter Sammlern bestimmt viel Geld eingebracht hätte, wäre es nicht mit Kot und Asche bedeckt gewesen. Eine Katze sprang aus ihrem Arm und floh.
Daniel wünschte sich, es ihr nachmachen zu dürfen. Aber erst musste er seinen Job erledigen. „Wir sind vom Kriminalkommissariat. Sie haben einen Mord beobachtet, ist das korrekt?“
Ihr Lächeln erstarb. „Oh, ja. Ja, ja! War vor zwei Tagen. Oder eher drei?“
„Nein, Mama. Das war gestern gewesen.“ Rote Flecken traten auf Gittes Hals. Sie setzte sich auf das provisorische Bett, wodurch der Matratzenturm sich gefährlich in eine Richtung neigte.
Daniel sah Leander, der einen Notizblock zückte, an, dass er dasselbe dachte. Entweder hatte die alte Dame ihr Zeitgefühl verloren oder die Tochter log, um den Medikamentenmissbrauch zu vertuschen. Die Wahrheit würde schwer herauszufinden sein.
Daniel neigte sich vor und stützte sich auf seinen Knien ab. „Können Sie das Bett gar nicht mehr verlassen?“
„Meine Beine wolln mich nich mehr tragen. Früher hatte ich ’ne Bettpfanne. Ekelig! Nu hat mein Kind Windeln besorgt. Groß wie Zelte.“
„Mama!“ Gitte schüttelte den Kopf. „Das interessiert die Kommissare nicht.“
„Entschuldigen Sie, wenn ich so offen bin.“ Daniel beschleunigte die Befragung. Er befürchtete, hier nur seine kostbare Zeit zu vergeuden. „Aber wo wollen Sie denn den Mord beobachtet haben, wenn Sie dieses Zimmer nie verlassen?“
„Durchs Fenster ’türlich“, sagte sie ungehalten, als wäre Daniel schwer von Begriff. „Dort drübn, bei den Perversen.“
Leander rutschte der Kugelschreiber aus der Hand. Er bückte sich, hob ihn auf und ließ ihn erneut fallen. Diesmal rollte der Kuli bis zum Ausgang. Fluchend lief er ihm hinterher.
Plötzlich strömte Adrenalin durch Daniels Adern. Sein Blut fühlte sich an wie elektrisiert. Eilig fuhr er zum Fenster und spähte durch die schmutzige Scheibe hinaus.
Er schaute genau auf das düstere Backsteingebäude mit der Hausnummer 13.
7. KAPITEL
„Sind Sie sich ganz sicher, dass Sie einen Mord beobachtet haben?“ Daniel gab Elisabeth Hamacher diesen „Wenn Sie jetzt lügen, kommen Sie in die Hölle“-Blick, den er nur bei besonders wichtigen Vernehmungen aufsetzte.
„Nur weil mich meine Kraft verlassn hat und ich nich mehr gehn kann, bedeutet das nich, dass
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