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Nuhr, Dieter

Nuhr, Dieter

Titel: Nuhr, Dieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuhr auf Sendung
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Meine letzte Freundin
zum Beispiel kam normalerweise auch immer zu spät - nur an dem Tag, als ich mit
ihr Schluss gemacht habe, da war sie zum ersten Mal pünktlich. Sie hatte unsere
Beziehung nämlich bereits ein halbes Jahr vorher beendet. Ich hatte das gar
nicht recht gemerkt, sexuell hatte sich nicht viel geändert. Und im Grunde war
sie immer erst gekommen, wenn ich schon wieder weg war. Wir kannten uns
praktisch gar nicht...
    Das war beziehungstechnisch wahrscheinlich auch die beste
Lösung.
     
    Jammern 24. Januar
2000
    Wenn ich etwas richtig hasse, dann diese Jammerei. Man
muss doch auch mal was einstecken können. Neulich zum Beispiel komm ich zu
meinem Auto zurück, da steht da eine Politesse und schreibt mein Auto auf -
sehr ärgerlich! Aber doch kein Grund zu jammern! Von wegen! Nein! Ich hab nur ganz
kurz meine Politessenflinte aus der Reparatur geholt...
    Nein, Spaß beiseite, nicht mal das! Im Gegenteil. Als sie
mir den Strafzettel hinter den Wischer geklemmt hat, da habe ich ihr den Arm um
die Schulter gelegt und gesagt: »Geht in Ordnung - ich würde an Ihrer Stelle
genauso handeln. Ich verstehe das«, habe ich zu ihr gesagt. »Vielleicht wäre
ich ja selber Knöllchenschreiber geworden, wenn ich in der Schule versagt
hätte.« Hab ich zu ihr gesagt. Wunderbar! Denn das ist es doch, was den
Menschen glücklich macht: Die Erniedrigung des Nächsten, die Freude am
Niedergang des anderen als Glücksempfindung des denkenden und empfindenden
Selbst im Triumphgefühl des eigenen Überlebens, wie es Elias Canetti so schön
formuliert hat...
    Jammern bringt nix! Wie oft jammert man rum: »Ach, hätte
ich doch ...!« Man muss es einfach machen. Wie oft habe ich geträumt, ich hätte
den Köter von meinem Nachbarn plattgemacht? Heute weiß ich: Man muss handeln!
Direkt mit dem Wagen drüber. Oder ein Starkstromkabel an den Gartenzaun gelegt,
dass er beim Pinkeln explodiert. Oder mit der Heckenschere zerlegen. Jetzt
sagt mancher vielleicht: Das darf man nicht, das ist böse! Aber Gott hat nicht
nur die Köter erschaffen, sondern auch die Heckenschere; und den Kampfpanzer,
die Cellulitis und die Diddle-Maus. Auch das Böse ist Teil der Schöpfung. Und
es bellt. Mitten in der Nacht!
    Ich weiß ja auch nicht, warum Gott so etwas geschaffen
hat. Warum macht der so etwas? Mir ist Gott neulich in einem Traum erschienen,
und da habe ich ihn gefragt: »Gott! Bist du gut oder böse?« Und Gott hat erst
gelacht, dann hat er irgendwas gemurmelt wie »So ein Blödmann« oder so
ähnlich, und hat mich dann mit dem Kopf in eine riesige Friteuse gesteckt, bis
ich aussah wie meine Friseurin nach 40 Minuten im Ergoline-500-Turbobräunungsbooster.
Dann hat er furchtbar gelacht und gesagt: »Wer doof aussieht, soll keine dummen
Fragen stellen« ... Danach bin ich aufgewacht, und die ganze Wohnung roch nach
Pommes!
    Da habe ich verstanden, dass Gott uns nicht geschaffen
hat, damit wir dumme Fragen stellen. Wir sollten einfach den Mund halten und
weiterleben. Wir sollten sein wie die Hunde. Einfach da sein, doof rumbellen
und dann genau dahin kacken, wo gleich die Politesse hintreten wird. Bratsch.
Das Leben kann so einfach sein ...
     
    Die Zeit vergeht. 25. Januar 2000
    Bald ist schon wieder Ostern, dann kommen die
Sommerferien, St. Martin, und schon ist wieder Weihnachten - und ich habe noch
kein einziges Geschenk! Die Zeit vergeht! Man ist kaum auf der Welt, hat gerade
zu sprechen gelernt, schon geht man der Umwelt mit seinem ständigen Gequassel
auf die Nerven. Und mit der erwachenden Erkenntnis im Reifeprozess beginnt dann
schon der Verfall. Man merkt, dass der Mensch an sich im Grunde nur ein
komplexer Zellhaufen ist - und wenn man das gerade zu begreifen beginnt, ist
man schon wieder tot.
    Und was tut der Mensch nicht alles, um dieses sinnlose
Leben auch noch sinnlos zu verlängern: Lifting, Wellness, Alterssex ... Heute
haben ja oft selbst Senioren über 40 noch Sex, oft allein, aber immerhin.
Allein ist ja besser als gar nicht. Gerade für uns Männer ist es ja mit den
Frauen immer so eine Sache: Man ruft mal ganz unverbindlich an, und schon heißt
es: »Die gewünschte Nummer ist vorübergehend nicht erreichbar« ...
    Der Mensch ist im Grunde wie eine Tageszeitung: kurzzeitig
interessant, dann schnell zerknittert und auf dem Weg ins Recycling, den ewigen
Kreislauf des Lebens. Denn aus dem Menschen wird ja dann wieder Erde, daraus entstehen
wieder Pflanzen, die werden von Kühen gefressen und plötzlich, eben war

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