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Null

Null

Titel: Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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Deterministen glauben, dass nichts unbestimmt ist, dass alle Geschehnisse eine Wirkung früherer Ursachen sind, selbst wenn wir die Ursachen nicht kennen.»
    «Wenn ich auf einer belebten Straße einem Freund begene, ist das also kein Zufall?», fragte Nava.
    «Nein», antwortete Caine. «Überlegen Sie mal. Man geht doch nie zufällig irgendwohin, oder? Das Ziel hängt immer von körperlichen, emotionalen und geistigen Ursachen ab. Und das trifft auf jeden anderen Menschen ebenfallszu. Das ‹willkürliche› Treffen auf einen Freund mag wie ein Zufall erscheinen, es ist aber keiner.
    Stellen Sie sich einen Computer vor, der sowohl in Ihr Gehirn und in Ihre Muskeln schauen kann als auch in die Ihres Freundes. Wenn der Computer zudem alle äußeren Bedingungen der Minuten oder Stunden, die zu Ihrem Treffen führen, kennen würde, dann könnte er voraussagen, wann, wo und wie Sie sich treffen werden. Daher ist das berühmte ‹Sich-zufällig-über-den-Weg-Laufen› alles andere als ein Zufall – es ist vorhersagbar.»
    «Aber in der wirklichen Welt», sagte Nava langsam, «ist es nicht vorhersehbar, wann man sich ‹zufällig› über den Weg läuft.»
    Caine schüttelte den Kopf. «Nein, ist es nicht. Da es einen Computer, wie ich ihn eben beschrieben habe, nicht gibt, können wir ein solches Ereignis nicht vorhersagen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass das Ereignis an sich unvorhersagbar ist. Es bedeutet nur,
dass wir es nicht vorhersagen können
. Verstehen Sie den Unterschied?»
    Nava nickte langsam, als sie begriff.
    «Das ist eine schöne Theorie», sagte sie, «aber in der wirklichen Welt funktioniert sie nicht.»
    «Tja, de Moivre sah das anders. Er bediente sich ständig der Mathematik und Physik, um scheinbar unvorhersagbare Phänomene vorherzusagen, sogar sein eigenes Todesdatum.»
    «Wie hat er das gemacht?», fragte Nava.
    «In den letzten Monaten seines Lebens fiel de Moivre auf, dass er jede Nacht fünfzehn Minuten länger schlief. Als Determinist schloss er aus diesem Wissen, dass er, wenn der Schlaf weiterhin im gleichen Maße zunahm, in der Nacht, in der er ‹planmäßig› vierundzwanzig Stunden durchschliefe, sterben würde. Er sagte voraus, dass diesam 27.   November 1754 eintreten würde. Und als dieser Tag kam, starb de Moivre, genau wie vorhergesagt.»
    «Das beweist kaum seine Theorie», erwiderte Nava skeptisch.
    «Nein, stimmt. Aber Sie müssen zugeben, dass es schon interessant ist, dass es da einen Mann gab, der davon überzeugt war, alles sei vorhersehbar, wenn man nur die richtigen Berechnungen anstelle, und dem es dann gelang, seinen eigenen Todestag zu berechnen», sagte Caine, mit einem Mal traurig. Die beiden schwiegen eine Weile, dann fuhr Caine fort.
    «Jedenfalls diente de Moivres
Lehre des Zufalls
als Grundlage für das Werk eines anderen, sehr berühmten französischen Mathematikers namens Pierre Simon de Laplace.»
    Als Caine den Namen aussprach, erinnerte er sich plötzlich an den stickigen, holzvertäfelten Raum in der Columbia University, in dem er einmal Seminare gegeben hatte. Obwohl es über ein Jahr her war, dass er Vorlesungen über diesen Statistiker aus dem achtzehnten Jahrhundert gehalten hatte, konnte er sich noch gut an den Unterricht erinnern.
     
    «Wie die meisten von uns in diesem Raum wurde Laplace von seinen Eltern nicht verstanden», sagte Caine und ging dabei vor der Tafel auf und ab.
    «Sein Vater wollte, dass er Soldat oder Priester wurde, aber Laplace entschied sich für eine akademische Laufbahn. Daher ging er mit achtzehn Jahren nach Paris, dem geistigen Zentrum Frankreichs. Dort unterrichtete er die Kadetten einer Militärschule in Geometrie. Unter ihnen befand sich auch ein kleiner Junge namens Napoleon Bonaparte, der später, glaube ich, einige ziemlich sonderbare Dinge angestellt hat.»
    Das brachte Caine von den zwölf Studenten, die sich um den Tisch drängten, ein Kichern ein.
    «1770 präsentierte Laplace seine erste Arbeit der renommierten Pariser
Académie des Sciences
. Danach war jedem klar, dass er ein mathematisches Genie war. Und so widmete er den Rest seines Lebens zwei Gebieten: der Wahrscheinlichkeitsrechnung und der Astronomie. Fast dreißig Jahre später, 1799, verschmolz er beide Gebiete, als er das wichtigste Werk zur Astronomie jener Zeit veröffentlichte:
Méchanique Céleste
oder
Himmelsmechanik
. Das Buch beinhaltete nicht nur eine Erörterung des Sonnensystems, es enthielt auch neue Methoden zur Berechnung der

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