Null
Informationen besitzt, um eine Gleichung aufzustellen, die alles perfekt vorhersagt.»
«Warum nicht?»
«Denken Sie an Umfragen, die Sie vor einer Wahl in der Zeitung lesen. Sie sind nie hundertprozentig korrekt, weil es schlicht unmöglich ist, jeden Wähler zu befragen. Indem man jedoch eine kleine Auswahl von Leuten aus verschiedenen sozioökonomischen Schichten befragt, sind die Meinungsforscher in der Lage, Gleichungen aufzustellen, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersagen, wer die Wahl gewinnen wird. Deshalb sind solche Umfragen nur mit einer Toleranz von ein oder zwei Prozent richtig. Denn Umfrageergebnisse sind immer Wahrscheinlichkeiten und nie Gewissheiten.
Die Wahrscheinlichkeitsrechnung gibt Wissenschaftlern also die Freiheit, eine Antwort als richtig anzunehmen, obwohl sie sich nicht hundertprozentig sicher sind. Sie zeigt, dass man bei minimaler Möglichkeit, falsch zu liegen, wahrscheinlich die Wahrheit entdeckt hat.»
Caine schwieg einen Moment lang, um das Gesagte bei seinen Zuhörern sacken zu lassen, dann fuhr er fort.
«Und das führt uns zu Laplaces umstrittenster Theorie, die häufig sein ‹Dämon› genannt wird. Zwei Jahre nachdem er
Théorie Analytique des Probabilités
veröffentlicht hatte, schrieb er den
Essai Philosophique sur les Probabilités
oder den
Philosophischen Versuch über die Wahrscheinlichkeit.
Darin befand sich sein zweitberühmtestes Zitat.» Caine sah in seine Notizen und las das Zitat laut vor.
Eine Intelligenz, die für einen gegebenen Augenblick alle in der Natur wirkenden Kräfte, sowie die gegenseitige Lage der sie zusammensetzenden Elemente kennte, und überdies umfassend genug wäre, um die gegebenen Größen der Analysis zu unterwerfen, werde in derselben Formel die Bewegungen der größten Weltkörper wie des leichtesten Atoms umschließen; nichts wäre für sie ungewiss und Zukunft und Vergangenheit würden ihr offen vor Augen liegen.
«Da er Determinist war», fuhr Caine fort, «nahm Laplace an, dass jemand, der alle Gesetze der Physik versteht und zu jedem Zeitpunkt die Position jedes subatomaren Teilchens im Universum kennt, alles wissen würde, was jemals passiert ist, und mit absoluter Genauigkeit die gesamte zukünftige Geschichte vorhersagen könnte.»
«Aber es ist unmöglich, alles zu wissen», sagte Colleen.
«Nichts ist unmöglich», entgegnete Caine, «auch wenn bestimmte Dinge sehr unwahrscheinlich sind.» Er trank einen Schluck Cola, während die Studenten seine Worte überdachten. «Wissenschaftler bezeichnen seine Theorie heute als den Laplace’schen Dämon.»
«Warum wird sie sein Dämon genannt?», fragte Steve. «Hat die Theorie ihn gequält?»
«Nein, das ist ein geläufiges Missverständnis» antwortete Caine. «Sie hat ihn überhaupt nicht gequält, denn Laplace war davon überzeugt, dass er Recht hatte. Nach seinem Tod übernahmen Wissenschaftler den Begriff ‹Laplace’scher Dämon›, um eine allwissende Intelligenz zu beschreiben. Ein Wesen, das die Fähigkeit besitzt, alles Gegenwärtige zu wissen, und deshalb auch alles Vergangene und Zukünftige weiß.»
«Klingt wie ein Gott», sagte Colleen.
«Ja», erwiderte Caine nachdenklich. «So was in der Art.»
Nava baute ihm eine Schiene, während Caine zum Ende seiner Vorlesung kam. Anschließend schwieg Nava sehr lange, ehe sie die Stille wieder durchbrach.
«David», sagte sie, «die Wissenschaftler der STR glauben, dass
Sie
der Laplace’sche Dämon sind.»
Caine schüttelte den Kopf. «Das ist verrückt. Der Laplace’sche Dämon existiert nicht, er ist ein theoretisches Konstrukt. Er ist nur ein Konzept, das eine allwissende Intelligenz beschreibt, die die Zukunft vorhersagen kann.»
Er hielt inne. Ihm schwirrte der Kopf. «Außerdem wurde Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts bewiesen, dass der Laplace’sche Dämon unmöglich ist.»
«Wie das?», fragte Nava.
«Ein Physiker namens Werner Heisenberg wies nach, dass subatomare Teilchen keine bestimmte Position haben, ehe sie beobachtet werden.»
Nava hob die Augenbrauen, worauf Caine sofort reagierte. «Fragen Sie nicht – das ist Quantenphysik, das soll keinen Sinn ergeben.»
«Okay, schön. Aber warum wird dadurch der Laplace’sche Dämon unmöglich?»
«Wenn subatomare Teilchen zur gleichen Zeit verschiedene Positionen einnehmen, ist es für jede Intelligenz unmöglich – selbst für eine allwissende –, die genaue Position eines jeden Teilchens zu kennen, eben weil sie keine
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