Null
ab.
Als die CIA ihre Bewerbung für den Außendienst erhielt, war man dort entzückt. Nachdem ihr gesamter sozialer Hintergrund durchleuchtet worden war, wozu auch Befragungen ihrer Highschool- und Collegefreunde sowieihrer Eltern und Nachbarn gehörten, bot man ihr einen Platz im elitären Ausbildungsprogramm des Geheimdienstes an.
Nava war die perfekte Kandidatin.
In den nächsten beiden Jahren absolvierte Nava eine intensive Ausbildung. Während die anderen Rekruten mit all den Kampftechniken, der Waffenkunde und den fremden Kulturen große Mühe hatten, schaffte Nava das Programm spielend. Noch nie hatten ihre Ausbilder in Langley ein solches «Naturtalent» erlebt. Und so wurde sie zum zweiten Mal in ihrem Leben auserwählt, für ihr Land zu töten.
Doch zu dieser Zeit wusste Nava nicht mehr, welches Land das ihre war.
Obwohl sie in Mütterchen Russland aufgewachsen war, hatten die sechs Jahre in den Vereinigten Staaten Navas Augen in einem Maße für die westliche Kultur geöffnet, wie es ihr Unterricht am Spezinstitute nie vermocht hatte. Plötzlich war sich Nava nicht mehr so sicher, wo ihre Loyalitäten lagen. Sie merkte, dass sie den Antrieb verloren hatte, für Russland zu spionieren. Andererseits spürte sie auch kein großes Verlangen, es für Amerika zu tun.
Gerade mal einen Monat nachdem sie begonnen hatte, für die CIA als Antiterror-Agentin für den Nahen Osten zu arbeiten, geschah das Unvorstellbare: Acht altgediente Parteifunktionäre versuchten, die Regierungsgewalt der UdSSR an sich zu reißen. Jeden Tag las sie in der
International Herald Tribune
weitere Berichte darüber, wie Gorbatschows Vizepräsident Gennadi Janajew gemeinsam mit KG B-Direktor Vladimir Kruschkow, dem sowjetischen Premierminister Valentin Pawlow und Verteidigungsminister Dimitri Jasow die Kontrolle über die UdSSR übernommen hatte. Sie war schockiert.
Doch dann rebellierte das Volk. Angeführt von Boris Jelzin, eroberte es den Kreml zurück, und die «Bande der Acht», einschließlich Kruschkow, wurde verhaftet. Nava wusste, dass sich ihre Welt verändert hatte, als sie sah, wie die Statue Felix Dserschinskis, des Gründers der Geheimpolizei, vor dem Hauptquartier des KGB umstürzte. Sie sandte eine Nachricht an Saitzew und fragte, was sie tun sollte.
Vier Monate später erfuhr Nava durch Kanäle der CIA, dass Dimitri Saitzew, ihr Lehrer, ihr Mentor und ihr Adoptivvater tot war, gestorben durch eigene Hand. Ohne seinen geliebten KGB sah er keinen Sinn mehr im Leben. Nava war tief erschüttert, aber sie machte weiter.
Als niemand vom SVR – Russlands neu entstandenem Geheimdienst – sie bis zum ersten Jahrestag des fehlgeschlagenen Staatsstreichs kontaktierte, wurde Nava klar, dass sie «verschollen» war. Die wenigen Leute beim KGB, die ihre wahre Identität gekannt hatten, waren tot, und offizielle Berichte über ihren Status hatte es nie gegeben.
Zum ersten Mal in ihrem Leben konnte Nava tun, was sie wollte. Doch da sie nur zu töten gelernt hatte, blieb sie bei der CIA. In den nächsten fünf Jahren ermordete sie so viele Terroristen, dass sie aufhörte mitzuzählen. Und trotzdem schaffte sie es nie, das Schuldgefühl loszuwerden, weitergelebt zu haben, als ihre Mutter und ihre Schwester gestorben waren. Sie wusste, dass sie mit jedem Mann, den sie tötete, zahllose Leben rettete, doch diese Erkenntnis reichte nie aus, um ihre innere Leere zu füllen.
Trotzdem setzte sie ihren persönlichen Rachefeldzug fort. Und als die CIA an einem strahlenden Sommertag 1999 entschied, einen der Terroristen, den sie aufgespürt hatte, am Leben zu lassen, beschloss Nava, ihre Befehle zu ignorieren. Mit Unterstützung des Mossad exekutiertesie den Mann auf eigene Faust. Hinterher stellte sie überrascht fest, dass die israelische Regierung sie für eine Tat bezahlte, die sie gern auch gratis ausgeführt hätte.
Und so begann ein weiteres Kapitel ihrer Karriere: Sie verkaufte Geheimnisse und führte verdeckte Einsätze für jeden durch, der die Terroristen eliminieren wollte, die Amerika nicht selbst zu töten wünschte. Zuerst arbeitete sie ausschließlich für den Mossad, doch mit der Zeit erwarb sie in bestimmten Kreisen traurige Berühmtheit und wurde vom britischen MI6 und vom deutschen Bundesnachrichtendienst engagiert, um sich deren missliebiger Staatsbürger anzunehmen.
Nava erledigte ihre Aufträge zuverlässig und wurde großzügig dafür bezahlt. Doch nach weiteren fünf Jahren fühlte sie sich ausgebrannt. Sie
Weitere Kostenlose Bücher