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Null

Null

Titel: Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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helfen.»
    «Ja, aber ich schulde ihm keine elfhundert.»
    «Wie viel denn sonst?» Caine starrte in das abgehärmte Gesicht seines Zwillingsbruders. «Oh», sagte Jasper schließlich, als ihm klar wurde, um was für eine Summe es ging.
«Elftausend?»
    «Ja.»
    «O Gott, David. Wie konntest du denn so viel verlieren?»
    «Ich hätte es eigentlich nicht verlieren dürfen, es war eine sichere Sache.»
    «Nicht sicher genug.»
    «Hör mal, Jasper, ich habe schon genug Probleme am Hals, auch ohne dass du dich hier einmischst und über mich richtest. Ich habe Scheiße gebaut. Ich geb’s zu, ja? Und wenn ich mich recht erinnere, hast du auch schon das eine oder andere Mal Scheiße gebaut.»
    Jasper seufzte und lehnte sich auf dem orangen Krankenhausstuhl zurück. «Was hattest du denn auf der Hand?», fragte er, offenbar, um Caine zu besänftigen.
    «Einen Vierling.»
    «Einen kleinen?»
    «Nein. Mit Assen.»
    Jasper pfiff leise. «Mit vier Assen hast du verloren?», fragte Jasper mit großem Respekt. «Was ist passiert?»
    «Mein Gegenspieler hatte mit dem River einen Straight Flush.»
    «Puh», sagte Jasper und schüttelte den Kopf. «Bis wann musst du das zurückzahlen?»
    «Wie ich Vitaly kenne, wird er morgen eine erste Rate wollen. Aber da ich ein Freund bin, wird er mir wahrscheinlich bis zum Ende der Woche Zeit lassen, bis dann einer seiner Bodyguards dafür sorgen wird, dass ich längere Zeit im Krankenhaus verbringen werde.»
    «Wie die Schwester mir sagte, kriegst du das auch ganz gut alleine hin.»
    «Ja. Wenn Nikolaev mich nicht umbringt, dann wahrscheinlich diese Anfälle.»
    «O Mann», sagte Jasper mit bewegter Stimme. «Als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, warst du kerngesund und hattest seit einem Jahr nicht mehr gespielt. Was, zum Teufel, ist passiert?»
    Caine wusste nicht, was er sagen sollte. Seine Lage war vollkommen verfahren. Das ganze vergangene Jahr war eine einzige Katastrophe gewesen. War seit diesem erstenAnfall wirklich schon ein Jahr vergangen? So lange konnte das doch noch nicht her sein, oder? Dann wurde ihm bewusst, dass es schon über anderthalb Jahre her war, dass er zum letzten Mal als Dozent unterrichtet hatte. Ihm wurde mulmig zumute. Schon komisch. Er hatte gedacht, es würde länger dauern, sein Leben komplett zu ruinieren.
    Da hatte er sich wohl getäuscht.
     
    Im Gegensatz zu den meisten anderen Dozenten des Instituts für Statistik unterrichtete Caine sehr gern. Nach seinem ersten Seminar hatte er festgestellt, dass er über die seltene Gabe verfügte, seine Leidenschaft für dieses Fach auf eine Weise zu vermitteln, die seine Studenten faszinierte.
    Es war zwar nicht das gleiche Hochgefühl, wie wenn er einen großen Pott gewann, aber seinen Studenten die Welt der Wahrscheinlichkeit zu erschließen hatte für ihn einen ganz besonderen Reiz. Ironischerweise hatte ihn ausgerechnet der Verlust seines gesamten Vermögens in den illegalen Zockerkneipen der Stadt zum Unterrichten gebracht. Ihm blieb keine andere Wahl; er brauchte Geld, und als Statistik-Doktorand an der Columbia University waren die Einführungsseminare zur Wahrscheinlichkeitstheorie der einzige Job, den er bekam.
    Da er weder Kredit noch Bargeld hatte, konnte er erst wieder spielen, als er seinen ersten Gehaltsscheck bekam. Doch als es dann so weit war, wurde Caine bewusst, dass er gar keine Lust mehr hatte. In dieser Nacht träumte er nicht von Spielkarten, sondern vom Statistikvortrag des nächsten Tages.
    Ab da änderten sich die Dinge. Klar, am nächsten Morgen wachte er dennoch wieder mit dem Verlangen und der Sehnsucht auf, die nur ein wahrer Spieler verstehenkann, aber er zwang sich, diese Gefühle zu unterdrücken und ihre Triebkraft zu akademischen Zwecken zu nutzen. Das Unterrichten hatte ihm endlich das gebracht, was ihm Dutzende Treffen der Anonymen Spieler nicht gebracht hatten: Selbstbeherrschung.
    Die nächsten paar Monate waren eine beinahe friedliche Zeit, in der er lernte, dass er seine Sucht tatsächlich in den Griff bekommen konnte. Eine Zeit lang glaubte Caine, dass endlich alles gut würde – bis zu dem Moment, ab dem alles in die Brüche ging. Er konnte sich noch gut an diesen Moment erinnern. Es war an dem Ort gewesen, an dem er sich neuerdings so wohl gefühlt hatte – im Hörsaal. Er hatte an der Tafel gelehnt, in einer Hand ein Stück Kreide und in der anderen einen Plastikbecher Kaffee, und hatte eine improvisierte Geschichtsstunde gegeben.
    «Also   … weiß jemand

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