Null
von Ihnen, wie die Wahrscheinlichkeitstheorie entstanden ist?»
Schweigen.
«Okay, ich gebe Ihnen drei Antworten zur Wahl. Die Wahrscheinlichkeitstheorie entstand durch einen Briefwechsel zweier französischer Mathematiker zum Thema … a) Physik, b) Philosophie oder c) Würfelspiel.»
Keine Reaktion. «Wenn sich in fünf Sekunden noch keiner gemeldet hat, kommt das hier in der Prüfung dran.» Zwanzig Hände schossen empor. «So ist’s schon besser. Jerri, was glauben Sie?»
«Physik?»
«Nein. Die richtige Antwort ist c) Würfelspiel. Der Mann, dem wir die Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung verdanken, wurde 1623 geboren und hieß Blaise Pascal. Wie viele privilegierte Kinder seiner Zeit wurde er zu Hause von seinem Vater und einigen Privatlehrernunterrichtet. Weil Pascals Vater aber nicht wollte, dass sich sein Sohn überanstrengte, beschloss er, dass sich der Junge auf den Sprachenunterricht konzentrieren und die Mathematik ruhig vernachlässigen solle.
Wie jedes ganz normale Kind machte ihn aber der Umstand, dass Mathematik gewissermaßen verboten war, nur um so neugieriger darauf, und er beschloss, sich in seiner Freizeit mit Geometrie zu beschäftigen.» Einige Studenten verdrehten die Augen, und Caine fügte hinzu: «Das war vor der
Xbox
und der
Playstation 2
, damals gab es für Kinder halt nicht viele Möglichkeiten, sich zu vergnügen.» Einige Lacher.
«Als sein Vater erfuhr, dass Blaise so gut mit Zahlen umgehen konnte, ermutigte er ihn, indem er ihm Euklids
Elemente
schenkte – und auch hier müssen Sie bedenken: So etwas wie Fernsehen gab es damals noch nicht, und die Leute lasen so genannte Bücher.» Das brachte ihm ein paar kleinere Lacher ein. «Jedenfalls: Als sein Vater sah, dass Blaise den Euklid geradezu verschlang, engagierte er für seinen Sohn den besten Privatlehrer für Mathematik, den er finden konnte, und das erwies sich als kluge Entscheidung, denn Blaise Pascal wurde einer der bedeutendsten Mathematiker des siebzehnten Jahrhunderts.
Ja, mit einer seiner Erfindungen hat er unser aller Leben beeinflusst. Weiß jemand, was ich meine?»
«Den Abakus?», mutmaßte eine Studentin.
«Ich glaube, da verwechseln Sie die Franzosen mit den alten Chinesen», sagte Caine. «Aber Sie sind auf der richtigen Spur. Er entwickelte die erste Rechenmaschine, die Vorform des heutigen Taschenrechners. Sein ganzes Leben lang beschäftigte sich Pascal mit Mathematik und Physik, aber ein paar Jahre vor seinem Tod gab er seine Liebe zu den Zahlen auf, ironischerweise nachdem er statistischnachgewiesen hatte, dass es vorteilhafter sei, sein Leben der Religion und Philosophie zu widmen.»
«Wie hat er das denn gemacht?», fragte ein bärtiger Student in der letzten Reihe.
«Gute Frage. Das werde ich Ihnen gleich anschließend erklären. Wo war ich? Ach ja.» Caine trank einen Schluck Kaffee und fuhr fort. «Ehe Pascal die Mathematik aufgab, stellte ihm 1654 ein französischer Adliger namens Chevalier de Méré einige Fragen. Fasziniert von den mathematischen Themen, um die es bei diesen Fragen ging, begann Pascal, mit einem alten Freund seines Vaters zu korrespondieren: dem pensionierten Regierungsbeamten Pierre de Fermat.
Wie es sich traf, war de Méré spielsüchtig, und seine Frage betraf ein damals beliebtes Würfelspiel, bei dem der Spieler vier Würfel warf. Wenn er dabei keine Sechs warf, bekam er seinen doppelten Einsatz zurück. Warf er aber eine Sechs, dann hatte die Bank gewonnen. De Méré wollte nun wissen, ob die Bank bessere Gewinnchancen hatte als der Spieler oder nicht.
Und wenn Sie aus diesem Seminar auch nur eine Sache mit nach Hause nehmen, dann ist es hoffentlich diese hier.» Caine ging an die Tafel und schrieb in großen Lettern:
Anerkennendes Gelächter. «Kann mir jemand sagen, warum das so ist? Jim.»
Caines Lieblingsstudent hob den Kopf. «Weil wenn die Bank nicht die besseren Gewinnchancen hätte, würde sie wahrscheinlich mehr Geld verlieren als gewinnen, und irgendwann gäbe es dann keine Bank mehr.»
«Genau», sagte Caine. «Und darauf hätte de Méré meinerMeinung nach auch schon vor der Begründung der Wahrscheinlichkeitstheorie kommen können, aber wenn die französischen Adligen klug gewesen wären, hätten sie sich ja nicht alle einen Kopf kürzer machen lassen.
Jedenfalls: Pascal und de Fermat bewiesen – Überraschung! –, dass die Bank tatsächlich die besseren Gewinnchancen hatte, indem sie zeigten, dass der Spieler bei hundert
Weitere Kostenlose Bücher