Null
Déjà-vu.
Caine
– Dann ist diese Fähigkeit bei jedem Menschen unterschiedlich ausgeprägt?
Sie
– Ja, manche sind schwach, andere sind stark. Die Schwachen besitzen wenig oder überhaupt keinen Weitblick. Sie sind nicht in der Lage, die Folgen ihres Handelns vorauszuahnen, weil sie die möglichen Zukünfte nicht wahrnehmen können. Sie stolpern blind und unwissend durchs Leben. Ihre Entscheidungen sind zufällig, und genau so sind die Folgen ihrer Entscheidungen.
Die Starken nehmen viel wahr, wenngleich das Wahrgenommene in ihrem Unterbewusstsein gefangen bleibt. Sie begründen ihre guten Ideen mit «Scharfblick», «Intuition» oder «so einem Gefühl». In Wahrheit rühren ihre Ideen von den Zukünften her, die sie im
Immer
wahrnehmen. Das
Immer
hält für jeden die Möglichkeit einer idyllischen und glücklichen Zukunft bereit.
Die Starken versuchen, ein idyllisches Leben herbeizuführen,
indem sie die Entscheidungen ihres zukünftigen idyllischen Ichs nachahmen und dieselben Ereignisse wahrnehmen. Folglich sind ihre Entscheidungen gut, weil ihr Unterbewusstsein weiß, dass es sich um die «richtigen» Entscheidungen zum Erreichen einer dieser glücklichen Zukünfte handelt.
Caine
– Aber gibt es noch andere wie mich? Andere … Dämonen?
Sie
– Ja. Es existieren noch andere Dämonen im
Jetzt
. Sokrates, Alexander der Große, Julius Cäsar, Johanna von Orleans, Molière, Napoleon Bonaparte, Hermann von Helmholtz, Vincent van Gogh, Alfred Nobel. Sie sind alle Dämonen.
Caine
– Sie sind alle Epileptiker … wie ich. Dann handelt es sich bei den Anfällen um … Teile des
Immer
, die die Synapsen überlasten?
Sie
– Ja. Der Anblick des
Immer
lässt die Dämonen im
Jetzt
leiden.
Caine
– Und was soll ich im
Jetzt
am besten tun?
Sie
– Was du möchtest. Du hast die Macht, deine eigene Zukunft zu wählen und damit die Zukunft der Menschen in deiner Umgebung zu beeinflussen.
Caine
– Aber woher weiß ich, welche Entscheidungen richtig sind? Alles hängt miteinander zusammen. Was für mich richtig ist, könnte anderen schaden.
Sie
– Entscheidungen sind nicht richtig oder falsch. Entscheidungen sind einfach nur. Du musst das wählen, was dir am besten zu sein scheint.
Caine
– Aber wie soll ich mich entscheiden?
Sie
– Das bleibt dir überlassen.
…
«Grimes, was ist hier los, verdammt nochmal?!?»
«Tut mir Leid, Dr. Jimmy. Es gibt anscheinend ein Problem mit einem der Hauptschalter.»
«Die Details interessieren mich nicht!», brüllte Forsythein den Hörer. Er war kurz vor einem hysterischen Anfall. «Ich will, dass Sie das Problem
lösen
. Kriegen Sie das hin?»
«Jetzt hören Sie mal zu, Jimmy», fauchte Grimes zurück. «Ich tue mein Bestes. Kirk Ende.» Grimes schaltete aus.
Forsythe ballte die Fäuste. Dieser miese kleine Scheißkerl. Sobald sie aus dem Schlamassel heraus waren, würde er sich einen neuen Technikfreak suchen. Er hatte die Nase gestrichen voll von Grimes’ Unfähigkeit.
Er wandte sich wieder dem durchsichtigen Spiegel zu und starrte ins Nichts, lauschte den eigenen flatternden Atemzügen. Die Schwärze schien förmlich greifbar zu sein in dem fensterlosen Zimmer. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Er blinzelte unentwegt, als ließe sich die Dunkelheit wegspülen wie ein Schleier vor den Augen, aber es nutzte nichts. Ob er die Augen offen oder geschlossen hatte, machte keinen Unterschied.
Auf einmal setzte sein Herz einen Schlag aus. Himmelherrgott … Testperson Beta. Die Lidklammern halfen gar nicht ohne Licht – und die Medikation wurde vom Computer vorgenommen. Kein Strom, das bedeutete keine Beruhigungsmittel. Keine zehn Minuten, und die Testperson wachte womöglich auf. Forsythes neue Angst übertraf die alte noch. Er griff zum Hörer und tippte Grimes’ Durchwahl.
«Sie müssen unbedingt dafür sorgen, dass das Licht wieder funktioniert!», drängte er.
«Raten Sie mal, was ich gerade vorhatte», antwortete Grimes spöttisch.
«Grimes, ich meine es ernst. Sie verstehen nicht – es ist lebenswichtig, dass wir sofort wieder Strom haben.»
«Hören Sie, Dr. Jimmy, ich sagte Ihnen schon, dass ichso schnell arbeite, wie ich kann. Mit Ihnen zu telefonieren macht mich
l-a-n-g-s-a-m-e-r .» Er zog das letzte Wort zur Betonung in die Länge. «Wenn Sie also keinen neuen Auftrag haben, dann lassen Sie mich besser weiterarbeiten.»
«Worauf warten Sie dann noch?!» Forsythe knallte den Hörer auf die Gabel. Sein
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