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Null

Null

Titel: Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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einbezog. «Ach, ich weiß nicht   … Heisenberg habe ich nie richtig verstanden.»
    «Tatsächlich nicht?», fragte Doc mit funkelndem Blick. «Was genau haben Sie denn nicht verstanden?»
    Caine hätte sich treten können. Er hatte Docs unstillbare Lust, komplizierte Phänomene zu erklären, ganz vergessen. Im Laufe der Jahre hatte Caine viele Stunden damit verbracht, sich Docs ellenlange Vorträge anzuhören – vom Urknall bis zur Chaostheorie.
    Caine sah Hilfe suchend zu dem Mann mit der Fliege hinüber, doch der hatte sich bereits in die Speisekarte vertieft und hörte nicht mehr hin. Schließlich sagte Caine: «Ich habe nie verstanden, warum die Physiker annehmen, dass Teilchen keine bestimmte Position haben, nur weil sie nicht rausfinden können, wo diese Position ist. Es istja nicht so, dass Teilchen gleichzeitig an zwei Orten sein können.
    «Doch, in gewisser Weise ist das so», entgegnete Doc, froh, dass er das Gespräch auf ein Thema gelenkt hatte, bei dem er dozieren konnte. «Physiker haben das mit dem Doppelschlitzexperiment bewiesen.»
    «Aha, interessant», sagte Caine. Er wusste, Doc war jetzt nicht mehr aufzuhalten, also konnte er bei der Gelegenheit auch gleich etwas lernen. «Was ist denn das Doppelschlitzexperiment?»
    «Stellen Sie sich vor, Sie leiten einen Lichtstrahl durch einen Schlitz in einem Blatt Papier auf diesen Teller hier. Was würden Sie da sehen?»
    Caine zuckte die Achseln. «Einen Lichtstreifen vermutlich.»
    «Genau.» Doc zog eine dünne Ketchuplinie mitten über seinen leeren Teller. «Die Photonen, die durch den Schlitz dringen, treffen auf dem Teller auf und erzeugen einen geraden Lichtstreifen.» Er hielt inne und trank einen Schluck Wasser. «Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie leiten das Licht auf ein Blatt Papier, das
zwei
Schlitze hat. Was würden Sie dann sehen?»
    «Zwei Lichtstreifen.»
    «Falsch», sagte Doc. «Sie würden verschwommene Lichtstreifen und Schatten sehen, etwa so.» Doc zog, parallel zur ersten, eine zweite Ketchuplinie über den Teller und verwischte sie dann mit einer Fritte. «Wenn man sich das Licht als Welle vorstellt, ist dieses Ergebnis nicht erstaunlich, denn dann versteht man, dass es zwischen den einzelnen Lichtstrahlen auf dem Weg vom Papier zum Teller zu Interferenzen kommt, die dieses verschwommene Muster erzeugen.
    Und auch wenn man sich Licht als das vorstellt, wases ist – als eine Abfolge von Teilchen   –, kann man dieses Muster erklären, da jedes Photon eine eigene Frequenz hat. Wenn sie interferieren, entsteht ebenfalls das verschwommene Muster auf dem Teller.»
    «Okay, dann lässt es sich also erklären. Und was ist jetzt so besonders daran?», fragte Caine.
    Doc hob einen Zeigefinger. «Dazu komme ich gleich. Vor kurzem haben einige Physiker eine Lichtquelle entwickelt, die zu einem gegebenen Zeitpunkt immer nur ein Photon abgeben kann, und damit haben sie das Experiment wiederholt. Und stellen Sie sich vor, es kam genau das gleiche Interferenzmuster heraus.»
    Caine runzelte die Stirn. «Wie soll denn da ein Interferenzmuster entstehen, wenn immer nur einzelne Photonen durch den Schlitz dringen? Wie kann es denn da zu Überlagerungen kommen?»
    «Jedes einzelne Photon überlagert auf der anderen Seite des Papiers sich selbst, denn es dringt bei dem Experiment gleichzeitig durch beide Schlitze.» Doc lächelte triumphierend.
    «Wie das?»
    «Weil das Photon, das man früher für ein Teilchen hielt,
auch
eine Welle ist. Wenn nur
ein
Schlitz vorhanden ist, verhält es sich wie ein Teilchen, aber bei zwei Schlitzen verhält es sich wie eine Welle. Photonen haben gleichzeitig den Charakter einer Welle und eines Teilchens. Man bezeichnete das als ‹Welle-Teilchen-Dualismus›.
    Und im Grunde ist die gesamte Materie zweierlei, mit unterschiedlichen Eigenschaften und an unterschiedlichen Orten zur gleichen Zeit, bis sie dann gemessen wird.»
    «Aber das ergibt doch keinen Sinn», sagte Caine.
    «Willkommen in der Quantenphysik», sagte Doc, eine Fritte kauend.
    Nun meldete sich der Mann mit der Fliege doch noch zu Wort. «Wenn Sie ihn komplett durcheinander bringen wollen», sagte er zu Doc, als wäre Caine gar nicht anwesend, «erzählen Sie ihm von Schrödingers Katze.»
    Caine hob eine Hand. «Das ist wirklich nicht nötig   –»
    «Ach, das geht schnell», sagte Doc. «Kurz und schmerzlos, das verspreche ich Ihnen.»
    «Also gut.» Caine hatte ganz vergessen, wie entspannt man sich unterhalten konnte, wenn man sich nicht

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