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Null

Null

Titel: Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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ständig fragen musste, ob das Gegenüber bluffte. Zum zweiten Mal an diesem Tag hatte er sich gestattet, seine Probleme zu vergessen und sich ganz dem Augenblick hinzugeben. Es war ein schönes Gefühl – auch wenn sie über Quantenphysik sprachen.
    «Erwin Schrödinger war zwar einer der Väter der Quantenphysik, aber ihm war auch bewusst, wie unlogisch das Ganze war, zumal, wenn man es auf die reale Welt anwandte. Also schlug er 1935 ein hypothetisches Gedankenexperiment vor, in dem es um eine Katze ging.
    Es ging dabei um Folgendes: Stellen Sie sich ein radioaktives Atom vor, das sich in zwei Zuständen befinden kann: zerfallen
,
dann gibt es Radioaktivität ab, und nicht zerfallen
,
dann ruht es. Die Quantenphysik sagt uns, sobald wir das Atom beobachten
,
wird es sich in einem der beiden Zustände befinden, aber solange wir es nicht beobachten, befindet es sich im Grunde gleichzeitig in beiden Zuständen – genau, wie sich das Photon im vorigen Beispiel gleichzeitig an zwei Orten befand.
    Schrödingers Gedankenexperiment war nun Folgendes: Was würde geschehen, wenn man eine Katze in einen Kasten setzen würde, in dem sich eine Flasche mit einem tödlichen Gas, ein radioaktives Atom und eine Hammervorrichtung, die ausschlägt, sobald sie Energie feststellt,befinden? Wenn das radioaktive Atom zerfällt, schlägt der Hammer die Flasche kaputt, das Gas wird freigesetzt und die Katze stirbt. Wenn das Atom aber nicht zerfällt, bewegt sich der Hammer nicht, und die Katze überlebt.
    Bis man jedoch den Kasten öffnet und das Atom beobachtet, ist es weder zerfallen noch nicht zerfallen. Die Frage ist also: Was geschieht mit der Katze, solange der Kasten geschlossen ist?»
    Caine dachte einen Moment lang darüber nach. «Ich schätze mal   …» Er verstummte, dann erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht. «Ah, jetzt verstehe ich. Da sich das Atom theoretisch gleichzeitig in zwei verschiedenen Zuständen befindet, ergeht es der Katze genauso. Sie ist gleichzeitig tot und lebendig – bis man dann den Kasten öffnet und das Atom beobachtet. Ab dann befindet sich auch die Katze definitiv in dem einen oder dem anderen Zustand.»
    Doc lächelte. «Sehen Sie. Und Sie sagen, Sie verstehen die Quantenphysik nicht.»
    «Der springende Punkt», schaltete sich der Mann mit der Fliege ein und richtete seine Aufmerksamkeit nun auf Caine, «ist, dass die Quantenmechanik, so stimmig sie auch sein mag, noch unlogischer wird, wenn man sie statt auf unsichtbare subatomare Teilchen auf die reale Welt anwendet.»
    «Wollen Sie damit sagen, dass Sie Heisenberg nicht glauben?», fragte Doc den Mann mit der Fliege.
    «Glauben
Sie
ihm?», entgegnete der.
    Doc zuckte die Achseln. «Ich glaube zunächst mal nur das, was ich mit eigenen Augen sehen kann. Alles andere ist bloße Theorie.» Dann wandte er sich wieder an Caine. «Entschuldigen Sie, Sie wollten mich etwas fragen, ehe wir vom Thema abgekommen sind.»
    Caine nahm sich eine von Docs Fritten. Plötzlich war es ihm peinlich, um Hilfe zu bitten, zumal vor einem Dritten.
    «Also, ich stecke gerade ein bisschen in der Klemme   …»
    «Oh», sagte Doc besorgt. «Was ist denn?»
    «Ich   … bin knapp bei Kasse.»
    «Sie wissen, dass ich Ihnen sofort Ihre Dozentenstelle wiedergeben würde, aber angesichts Ihrer   … ähm   … Probleme würde die Fakultätsleitung das nie zulassen. Zumindest nicht dieses Semester. Aber es gibt ja immer noch ein nächstes Jahr.»
    «Ja, ich weiß. Es ist bloß, dass ich ziemlich dringend Geld brauche.» Caine war die Sache äußerst peinlich, zumal Docs Forscherkollege keine Anstalten machte, sie allein zu lassen. Vielmehr starrte er auf Caine herab, als ginge von ihm ein sehr eindringlicher Geruch aus. Caine gab sich alle Mühe, den Biometriker mit der Fliege zu ignorieren, und sagte: «Wenn Sie bei einem Ihrer privaten Forschungsprojekte Hilfe brauchen, wäre ich gerne bereit dazu. Ich bin ein wenig verzweifelt.»
    Doc betrachtete einen Augenblick lang gedankenverloren die Decke. Als er Caine wieder ansah, ließ sein Gesicht keine Hoffnung erkennen. Er schüttelte langsam den Kopf.
    «Wenn ich Ihnen irgendwie helfen könnte, würde ich es tun. Aber im Moment habe ich nichts für Sie.»
    Caine gab sich alle Mühe, nicht auf seinem Sitz zusammenzusacken, auch wenn es ihm schwer fiel.
    «Es tut mir Leid», sagte Doc.
    «Schon okay», sagte Caine und dachte dabei, dass seine Situation nicht im Entferntesten okay sei. «Es war mir klar, dass das

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