Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
beschäftigt. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er das Spielchen mit Fay zugelassen hatte, ohne mich zu warnen. Andererseits … nein, ich konnte mir das sehr gut vorstellen. Fay lächelte mich über den Kopf des berühmten Trauma-Spezialisten hinweg an, der noch nicht viel gesagt hatte. (Vielleicht war er ja zu gelehrt und zu sensibel für all das.) Ein rothaariger Mann, der eben gekommen war, bekam ein Mikro umgehängt. Ich sah, wie er auf die Uhr blickte und die Stirn runzelte. Fays Blick drang immer weiter in mich. Ich lächelte sie an und fühlte mich mehr als nur ein bisschen unwohl dabei. Vielleicht hatte ich sie ja doch schon einmal gesehen …
Simeon Fernandez schimpfte auf jeden ein, der ihm zuhörte. Offensichtlich hatte er kapiert, dass er nicht nur hier war, um sein Buch vorzustellen. Sally mühte sich ab, ihn zu beruhigen. Als sie an mir vorüberging, tätschelte sie mir die Hand. »Wir haben’s fast, Maggie. Wir bräuchten nur noch ein bisschen von dem persönlichen Kram, wenn du’s packst. Dann bringen wir den Bullen.« Sie zeigte auf den Karottenköpfigen. Er sieht gar nicht aus wie ein Polizist, dachte ich verschwommen. Sein Anzug war viel zu unordentlich.
Als Kay das Lipgloss aufgetragen hatte, presste Renee kurz die Lippen aufeinander. Dann ging sie zu Fay hinüber, in der sie ganz zu Recht ihre wahre Verbündete vermutete.
»Du bist wunderbar, Kleines«, schnurrte sie. »Ich werde dir noch ein paar Fragen stellen, wie der Unfall deine Beziehungen beeinflusst hat und so weiter. In Ordnung?« Ohne die Antwort abzuwarten, erläuterte Renee allen anderen, wie es weitergehen würde. Waren wir nicht eine glückliche Medienfamilie? »Dann geht es mit Ihnen weiter, Mr Fernandez, und schließlich kommen wir zu Dr. Draper.«
Schon wirkte Dr. Draper besänftigt. Er strich auf seinem stattlichen Bauch die grelle Krawatte glatt. Ob wohl alle Wissenschaftler so gerne essen?, fragte ich mich. Fisch und Mikrochips vermutlich. Ich musste über meinen eigenen Scherz grinsen. Schließlich kam Renee zu mir.
»Und, Maggie«, meinte sie, während sie sich zu mir beugte und leise zischte: »Sieh zu, dass du in die Gänge kommst!«
Ich hörte auf zu grinsen und errötete. Meine Haut brannte förmlich. Bevor ich mich wehren konnte, stand sie schon wieder bei Kay, um sich den letzten Schliff geben zu lassen. »Außerdem sieht’s hier schrecklich aus, Amanda«, schnappte sie. »Stell Maggies Blumen hinter ihr in eine Vase.«
Ich zuckte ein wenig zusammen, als ich sah, wie Amanda dem Befehl wortlos nachkam und dann wieder von der Bühne sprang. »Okay, Kinder. Dreißig Sekunden noch. Setzt euch und macht bitte so weiter. Ihr seid ein fantastisches Publikum, nicht wahr, Renee?«
Renee hatte wieder in der Mitte des Halbkreises Platz genommen. Sie streckte die Beine aus und ließ ihre scharlachroten Absätze sehen, um das Publikum ein wenig zu animieren. Die Lilien rochen fürchterlich. Ich sank wieder in meinem Sessel in mich zusammen.
»Meine Lieben«, sagte sie und schraubte ihre Lautstärke ein wenig herunter, sodass jeder zuhörte. »Ich erzähle euch ein kleines Geheimnis, okay?«
O ja, und ob das »okay« war. Die Zuschauer beugten sich gierig vor. Winzige Pause. Warte, warte, nur noch ein Weilchen …
»Ihr seid bisher das beste Publikum des Jahres. Und …« Sie verrenkten sich fast den Hals. »… wir haben bald Weihnachten. Was also heißt das?«
Die Zuschauer schrien durcheinander und trampelten mit den Füßen. Sie wussten ja nicht, dass Renee das bei jeder Show sagte. Und wenn sie es wussten, wenn sie regelmäßig kamen? Dann interessierte es sie nicht. Sie waren heute und hier Renees ganz besonderes Publikum - und das war alles, was zählte.
»Wir sind gleich wieder auf Sendung, fünf, vier, drei, zwei …« Amanda beendete den Countdown. Die Titelmusik erklang, Renee nahm Haltung an und stellte sich wieder auf Tragödie ein.
Fernandez und Draper begannen zu streiten. Charlie blickte schon viel zufriedener drein. Fay erzählte, wie entsetzt ihre Eltern gewesen waren, als sie den Unfall in den Nachrichten sahen und von ihr nichts hörten. Die vom Sender engagierte »Zuschauerin« versuchte, die Auseinandersetzung noch anzuheizen, und fragte mich, ob ich dächte, dass Traumen unvermeidlich seien, wenn wir solch ein abenteuerlustiges Leben führten und nicht zu Hause bei unseren Kindern blieben. So kühl ich nur konnte, antwortete ich, dass ich keine Kinder hätte und dass wohl kaum von
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