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Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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sich am Waschbecken, und ich schwankte kurz, aber als Amanda meinen Arm nahm, zuckte ich unwillkürlich zusammen.
    »Ist schon in Ordnung«, sagte ich und hörte meiner eigenen Stimme zu. »Ist nur der Wein.«
    Sie runzelte die Stirn.
    »Ich bin nicht blau.« So ganz stimmte das allerdings nicht. Ich hatte seit geraumer Zeit außer Schmerzmitteln nichts zu mir genommen. »Komm schon. Ich bin schließlich Profi. Aber wenn ich vorher vielleicht noch einen Schluck haben könnte …«
    Amanda nahm meinen Arm und führte mich rasch durch den Gang zum Studio zurück. Sie war wie einer dieser Drahthaarterrier, die auf der Fuchsjagd eingesetzt werden. Sie hatte mich zwischen den Zähnen, und sie würde mich nicht mehr loslassen. Ich überlegte, ob ich ihr eine meiner Krücken überziehen und davonrennen sollte. Davonhumpeln vielmehr.
    »Keine Zeit, Liebes.« Ihr Headset quakte unverständliches Zeug. »Vielleicht in der Pause.« Ihr Blick streifte beiläufig über mich hinweg. »Du hättest in die Maske sollen.«
    Daisy erschien im Gang. Lässig checkte sie ihr Handy. Amanda blitzte sie an.
    »Dieses Telefon sollte längst ausgeschaltet sein, junge Dame. Weißt du, Maggie, du wirkst wirklich sehr blass.«
    »Blass und nebensächlich«, witzelte ich. Aber niemand lachte. Wieder überfiel mich die Angst.
    »Amanda.« Jetzt blieb mir nur noch die Flucht nach vorn. Mit einem tiefen Atemzug nahm ich sie beiseite. »Ich bin nicht sicher … ich weiß wirklich nicht, ob ich das durchstehe.«
    »Natürlich tust du das, Liebes. Lieber Gott, wenn ich nur ein Pfund für jeden Gast bekäme, der unmittelbar vor der Sendung doch noch abspringen will, wäre ich Millionärin! Und hinterher waren sie alle glücklich. Und konnten nicht genug davon bekommen.«
    »Amanda, ich bin’s. Ist dir das klar?«, flüsterte ich. Diese Plattheiten musste sie mir nicht erzählen. Darin kannte ich mich aus, angesäuselt oder nicht.
    Sie hatte genug Anstand, um zu erröten. »Hör mal, ich schicke Kay herauf, damit sie dir noch einen Hauch Rouge auflegt. Und du …«, wandte sie sich Daisy zu, »holst Maggie noch einen Drink für ihre Nerven. Füll einfach ein wenig Wein in eine Wasserflasche. Aber pass auf, dass keiner der anderen Gäste dich sieht.«
    Wir standen vor der Tür des Studios. Wir betraten das Studio. Es war jetzt schon unerträglich heiß. Sally hatte übernommen und zog ihr Ding durch. Ein paar maue Scherze, und das Publikum lachte und klatschte Beifall. Sie fanden es toll, sie fraßen ihr regelrecht aus der Hand. Charlie schoss auf mich zu. »Alles okay, Mags?« Niemand hatte mich je »Mags« genannt, Charlie schon gar nicht. Bis auf …
    »Klar, weißt du doch.« Ich verzog das Gesicht. »Alles prima!« Dabei schwang ich die Hüften wie Kirk Douglas in seinen besten Zeiten. Zumindest glaubte ich das.
    Charlie lächelte, wobei er zwei Reihen strahlend weißer Zähne entblößte, die im Neonlicht noch gleißender wirkten. »Denk einfach nur an eines, Liebes. Diese Show hilft dir, einen Schlussstrich unter die Geschichte zu ziehen. Und das ist es, was du jetzt brauchst.«
    »Einen Schlussstrich ziehen«, wiederholte ich wie ein gut abgerichteter Papagei. »Das brauche ich jetzt.«
    Plötzlich flimmerten über die Studiobildschirme die Schlagzeilen aus der Zeit nach dem Unfall. Mein Herz hämmerte, während ich sie gezwungenermaßen in mich aufnahm. Ein Aufschrei in der Sun : Crash mit Autobus - ein Blutbad. Der Express fragte wohlerzogen: Pferde auf der Autobahn: Wer trägt die Schuld? Und die Mail tönte: Regierungs-Autobahn verursacht Tragödie.
    Ich musste mich zwingen, wieder wegzusehen. In diesem Moment kam Daisy mit der Wasserflasche. Ich nahm einen großen Schluck. Da tauchte Kay auf und brachte den üblichen Schwall aus Parfüm- und Pudergeruch mit sich, der mich immer an meine Mutter erinnerte.
    »Geht’s dir gut, Küken?« Ich liebte Kay. Ich wünschte, sie wäre meine Mutter.
    »Nur ein Hauch Rouge und ein bisschen Puder, damit du nicht so glänzt, in Ordnung? Mascara brauchst du ja nicht, du Glückskind.«
    Pete, der Tontechniker, kam und prüfte mein Mikro. Er nestelte mit seinen haarigen Händen daran herum und gab mir pantomimisch zu verstehen, dass er sich mühte, mit den Fingern meinem V-Ausschnitt nicht zu nahe zu kommen. Er blinzelte mir zu. »Seltsam, dich als Gast hier zu sehen. Hals- und Beinbruch.« Beim Weggehen stieß er an meinen Gips und wurde puterrot.
    Nun kam Renees Auftritt. Sie betrat die Bühne wie die Diva,

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