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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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Händen, von oben nach unten und in sich hinein.
    Ich will nicht mit dir reden, hatte sie am Telefon gesagt, was soll ich mit dir auf einem Clubbing.
    Die Musik ist sehr laut, hatte er gesagt, wir müssen nicht reden. Komm doch.
    Sie machte ihre Lippen rot und band ihre Locken nach hinten.
    Nackt stand sie vor dem Spiegel in Frankfurt. Unterhalb ihrer Brüste waren kleine, kreisrunde Narben, sie berührte sie und spuckte ins Waschbecken.
    Wenn er den Mund aufmacht, bin ich weg.
    Sie drehte sich um und zog sich an. Im Spiegel sah man ihren Rücken. Da waren weitere Narben, auch auf den Beinen, an der Innenseite ihrer Schenkel. Überall waren sie, viele kleine Löcher in der Haut. Nur im Gesicht nicht.
    Sie machte das Licht aus und ging in den Wohnraum. Achtzehn Quadratmeter. Hier malte sie, hier hingen ihre Bilder. Die Wände waren voll, dicht aneinander hingen sie, mit Klebestreifen befestigt, hunderte Bilder.
    Bevor Ben das erste Mal zu ihr gekommen war, hatte sie sie alle abgenommen, bis die Wände leer waren. Nur noch ein Bett stand im Raum, ein kleiner Tisch mit einem Teekocher und einer Herdplatte und ein kleiner Kasten. Wie eine Zelle in einem Kloster war der Raum, schlicht und ohne Störung. Sie wollte nicht, dass er ihre Bilder sah.
    Als er gegangen war, hatte sie sie wieder aufgehängt, bis die Wände voll waren. Der Raum war wieder warm und voller Bewegung, voll von Leben, jedes Möbelstück mehr im Raum hätte sie erschlagen, so dicht kam es von den Wänden auf sie herab, so viel passierte da vor ihr, wenn sie im Bett lag und sah, was sie gemalt hatte.
    Acht Mal ist er gekommen, acht Mal hat sie die Wände leer und wieder vollgemacht. Sie hat hunderte Klebestreifen abgezogen mit Vorsicht, damit das Papier nicht reißt, die Bilder wie Schätze in eine Mappe gelegt, sie hat es gerne getan. Beim Abnehmen und Aufhängen hat sie jedes Bild lange angeschaut, sich für jedes Zeit genommen. Sie würde diesen Taxifahrer an diesem Abend zum letzten Mal treffen, sie würde die Bilder jetzt hängen lassen, sie hatte genug von Haut und Zunge und Schwanz.
    Sie wollte keinen Mann mehr.
    Einer hatte ihr die Narben gemacht vor Jahren, danach wollte sie keinen mehr, sie wollte alleine sein, mit sich, mit ihren Bildern, mit dem, was weh tat außen und innen. Ben hatte die Narben gesehen, er wollte sie fragen, aber er durfte nicht reden, er hat sie mit den Fingern berührt, aber sie hat die Finger beiseite geschoben und ihn mit strengen Augen angeschaut.
    Lass das, haben die Augen gesagt, das geht dich nichts an.
    Anna genoss es, dass Ben sie schön fand, wie er ihren Körper gierig besuchte, wie er ihre Haut in seinen Mund nahm. Bis sie nicht mehr wollte, dann stand sie vor ihm, drückte ihm seine Kleider in die Hand und machte ihm die Tür auf. Enttäuscht ging er, er verstand es nicht, er wollte bleiben, er wollte bei ihr bleiben, sie berühren, in ihr sein, aber sie wollte allein sein, alleine in ihrem Bett, in ihrem Zimmer, die Bilder wieder an die Wände kleben und sie vom Bett aus sehen, sie lange anschauen, bis sie nicht mehr konnte.
    Sie klebte die Bilder an die Wand, duschte sich Bens Speichel von der Haut und legte sich hin. Kerzen brannten.
    Es waren Bleistiftzeichnungen. Körper, Gesichter und Bewegungen, handwerklich gekonnt gemacht, Schraffuren, die Anatomie detailgetreu festgehalten. Immer eine Frau und ein Mann. Eine Serie von über dreihundert Bildern, eine Geschichte, Einblicke in zwei Leben, Alltagssituationen, Banales, ein Mann und eine Frau, wie sie an einem Tisch sitzen und essen, wie sie Wein trinken, wie sie am Boden liegen und Dominosteine stapeln, wie sie ihm die Haare schneidet, wie sie die Schere in der Hand hält und sich im Spiegel anschaut, während er in einer Zeitschrift blättert, wie sie vor ihm kniet und seinen Schwanz in ihren Mund steckt, wie er auf ihr sitzt, wie er in der Küche steht und einen Topf in der Hand hält, während sie ein Buch liest, wie er sie festhält, wie er seine Beine auf ihre Arme drückt und sie festhält, wie sie auf dem Bett liegt und er über ihr ist, wie er sie nach unten drückt mit seinem Gewicht und seiner Kraft, wie sie ihren Mund offen hat, wie sie schreit, wie er die Zigarette in der Hand hält, wie er sie nach unten führt, hin zu ihrer Haut, wie er sie in sie hineindrückt und sie nach unten presst.
    Bleistiftzeichnungen.
    Anna lag im Bett. Ihre Augen gingen von Bild zu Bild, sie blieben liegen auf einem und gingen zum nächsten, sie genoss es zu sehen,

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