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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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was sie gezeichnet hatte. Ein Mann und eine Frau, wie sie nebeneinander im Bett liegen, wie die Frau zur Decke schaut, wie er schläft neben ihr, wie sie nackt vor dem Spiegel steht mit ihren Wunden und er sich rasiert, wie er angezogen neben ihr steht und sie ins Gesicht schlägt, wie sie weint, wie sie wieder im Bett liegen, wie er neben ihr liegt und schläft, wie sie sich bemüht, ihn nicht zu berühren, wie sie daliegt und hört, wie er atmet, wie er aufwacht und sich im Schritt kratzt, wie sie Salbe in ihre Wunden reibt, wie er ihre Hand hält, wie er sie an die Wand presst und die Zigarette in ihren Rücken drückt, wie sie in die weiße Wand weint.
    Bleistiftzeichnungen, unzählige nebeneinander, mit Klebestreifen an die Wand geklebt.
    Annas Augen wanderten. Immer dieselbe Frau, wie sie ihn anschaut, wie er sie anschaut, wie sie sich küssen, wie sie am Bett sitzen und essen, wie sie das Essen aus gelieferten Kartons nehmen, wie er lacht, wie er seinen Arm um sie legt, wie sie ihn anschaut, wie sie neben ihm liegt und er schläft, wie sie den Hammer in der Hand hat und auf seinen Kopf einschlägt, wie sie das Messer in seinen Bauch sticht, wie sie es immer wieder tut, wie er ruhig daliegt, weil er längst tot ist, wie sein Mund offen ist und starr, und dann, wie sie mit dem Brotmesser seine Hände abschneidet, wie sie am Handgelenk sägt, wie er daliegt und tot ist, wie sie Stück für Stück heruntersägt und ihn in kleine Säcke packt, wie er in der Badewanne liegt ohne Arme und Füße, wie sie vor dem Spiegel steht und er hinter ihr immer kleiner wird, weil sie ihn in Säcke stopft, weil er sich auflöst und sie nur dasteht und zufrieden ist in ihrem Overall, die Ärmel hochgekrempelt. Und dann wie sie die Wanne putzt. Wie sie vor dem Spiegel steht allein, wie die Wanne leer und sauber ist. Wie sie sich wäscht. Wie sie nackt vor dem Spiegel steht. Immer wieder dieses Bild. Wie sie nackt vor dem Spiegel steht. Die leere Wanne im Hintergrund.
    Annas Augen blieben liegen auf diesem Bild. Sie rührte sich nicht, sie lag im Bett, die Kerzen brannten. Sie war allein. Sie fühlte sich wohl.
    Früher wollte sie Comics zeichnen, immer schon. Sie wollte Geschichten erzählen mit ihren Bildern. Sie besuchte Kurse an der Volkshochschule, sie malte Fotografien ab, Gesichter, Bewegungen, nackte und angezogene Menschen, mit Bleistift, ohne Farbe.
    Es geht um das, was passiert, sagte sie, nicht um die Farben, ich male Handlungen, ich schreibe Geschichten mit meinen Bildern.
    Anna hatte ihre Technik perfektioniert mit den Jahren, sie wollte perfekte Arbeiten vorlegen, wenn sie zu einem Verlag ging, sie wollte ihre eigenen Figuren, ihre eigenen Geschichten erzählen, sie wollte keine Sprechblasen, sie wollte nur die Bilder.
    Sie müssen nicht reden, sagte sie, zumindest muss man sie nicht hören. Man versteht auch so, was passiert ist, was sie bewegt, warum sie da sind.
    Anna dachte an einen Kunstband mit großformatigen Bildern, sie würde diese Geschichte veröffentlichen, sie würde einen Galeristen finden. Stundenlang lag sie in ihrem Bett und studierte Bild für Bild, wo eines fehlte, malte sie eines hin, bis die Geschichte zu Ende war.
    Zufrieden stand sie vor dem Spiegel.
    In fünf Stunden würde sie Ben treffen.
    Er hatte sie vom Auto aus angerufen.
    Ich habe jemanden nach München gebracht, ich mache mich jetzt auf den Rückweg.
    Lass dir Zeit, sagte sie, wir sehen uns dort, ich komme. Wasch dich.
    Dann legte sie auf.
    Ben fuhr auf die Autobahn und stoppte bei der ersten Raststation, er kurbelte den Sitz nach hinten und schlief ein. Er war müde, er hatte nicht geschlafen seit sehr langer Zeit, er hatte Angst vor seinen Träumen, er war die ganze Nacht durchgefahren, er wollte nicht in sein Bett, nicht ruhig liegen, nicht einschlafen.
    Und doch wurden seine Augen schwer immer wieder. Vor dem Museum war er dann doch eingeschlafen. Bestimmt zwei Stunden lang, er war unter einer Glasplatte gelegen und hatte gesehen, wie das Schaf auf ihn zukam. Seine Augen waren schwer, diese zwei Kugeln in seinem Kopf, wie sie weh taten, als er aus München hinausfuhr.
    Sie wartet auf mich, sie wird da sein, sie will mich, ich muss eine Stunde schlafen.
    Dann machte er seine Augen zu.
    Er parkte zwischen zwei LKWs abseits der Tankstelle und lag in seinem Cabrio.
    Anna zog sich an. In fünf Stunden würde sie Ben treffen. Sie hatte noch Zeit für ein Bild. Noch ein Mal die Frau vor dem Spiegel.
    Ganz nah. Nur ihr Gesicht.
    Annas

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