Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
Vom Netzwerk:
ging wieder zurück in ihr Zimmer. Sie brauchte das Geld, nicht seinen Schwanz.
    Ming verließ die Autobahn und schlängelte sich durchs Zentrum. Die beiden Männer hinter ihr sprachen nicht, sie starrten nur geradeaus, am Rückspiegel vorbei, in die Welt. Ihre Gesichter waren so, als würden sie ununterbrochen denken, als würden in diesem Auto noch ganz andere Pläne geschmiedet als ihr eigener.
    Die Gazelle und die Kröte. Warum sind sie überhaupt bei mir mitgefahren, normalerweise nimmt sich eine Gazelle ein Taxi. Warum sitzen diese Männer in meinem Auto. Sie sind schwul, das war klar. Sie hatte keine Angst, vergewaltigt zu werden, aber plötzlich fragte sie sich, warum die beiden freiwillig in ihr schäbiges Auto gestiegen waren. Zwei Männer ohne Gepäck.
    Mings und Moscas Blicke kreuzten sich. Mosca war begeistert von dem harten Gesicht, das durch die fehlenden Haare noch härter war. Er ließ seine Augen auf ihr liegen, auf dem Rückspiegel, in den sie immer wieder schaute. Keiner sagte etwas. Das chinesische Gesicht war wie ein Gemälde. Mosca gefiel es.
    Er hatte sich nur kurz gewundert über die seltsame Situation, in die er geraten war, dass er in diesem Auto saß mit einem Dänen und einer Chinesin. Er beschloss, nicht darüber nachzudenken. Er beschloss, sich nicht zu wundern und keine Fragen zu stellen in dieser Nacht.
    Er genoss es, ohne Kontrolle zu sein, sich treiben zu lassen. Er nahm an, dass das Kokain daran schuld war. Keine Zeile mehr schreiben, sie nur ansehen, am Rande beobachten, spüren, was es machte in ihm, spüren, wie die Welt war in dieser Nacht. Die Welt mit dem chinesischen Gesicht im Rückspiegel.
    Ming parkte. Dort ist die Kirche, da ist die Würstchenbude.
    Dürfen wir noch sitzen bleiben, fragte Onni. Kurz noch. Ming drehte sich zu ihnen um und schaute verwirrt.
    Sie wollen mein Auto, das kann nicht sein, was wollen sie mit meinem Auto.
    Wir müssen noch etwas besprechen, in zehn Minuten sind wir bei Ihnen, sagte Onni.
    Ming zog den Schlüssel ab und stieg aus.
    Lassen Sie sich Zeit, sagte sie.
    Mosca schaute Onni an, der wieder begann, die Hose nach unten zu ziehen und das Kokain aus seiner Windel zu holen.
    Sonst fliegen wir nicht, sagte er. Vertrau mir, Mosca.
    Ming drehte sich noch einmal zu ihrem Auto um und überlegte, wie sie der Kröte den Scheck abnehmen konnte. Sie durfte die beiden nicht aus den Augen lassen. Wenn sie zu ihr an die Würstchenbude kommen würden, musste sie handeln. Irgendetwas würde ihr einfallen. Sie würde in dieser Nacht noch verreisen, sie würde auf dieses türkische Deutschland scheißen. Italien vielleicht, dann Deutschland, vielleicht Spanien. Sie steckte ihren Körper in die weiße Schürze, Ali küsste sie in den Nacken und legte seine Hand auf ihren Hintern.
    Schön, dass du da bist, Ming. Ich habe dich vermisst. Wenn ich daran denke, dass du den ganzen Tag mit meinem Vater zusammen bist, werde ich wütend. Er weiß nicht, dass du etwas Besonderes bist.
    Ist gut, Ali. Ist genug Brot da.
    Ming nahm seine Hand von ihrem Hintern und drehte sich zu einem Kunden. Sie hasste diese aufdringliche Art, sie hasste diese nach Knoblauch stinkende Haut, sie hasste Ali, sie hasste seinen Vater, sie hasste alles hier. Nur das Geld in ihrer Hand war wichtig, diese Münzen, die sie sich immer wieder heimlich in ihre Taschen schob. Am Tag und in der Nacht.
    Ich werde verreisen, sagte sie sich wieder, und legte eine Wurst neben ein Stück Brot auf einen Pappteller.
    Mosca zögerte kurz. Dann kam das weiße Pulver wieder in seinen Kopf hinauf. Es war sofort da. Es kam an, noch bevor er daran denken konnte, was passieren würde. Siebzehn Kohlenstoffatome, einundzwanzig Wasserstoffatome, vier Sauerstoffatome, ein Stickstoffatom. Onni putzte sich die Nase.
    Das ist alles ganz harmlos, Mosca. Es macht dich glücklich, das ist alles.
    Lass uns gehen, sagte Mosca.
    Sie kletterten aus dem Auto. Die Musik kam ihnen in Wellen entgegen.
    Ich muss etwas essen, sagte Onni.
    Sie blieben an der Würstchenbude stehen. Mings Augen leuchteten.
    Danke fürs Mitnehmen, sagte Mosca, ich gehe schon hinein, lass dir Zeit, Onni.
    Die Musik zog ihn durch die große Holztür in die Kirche hinein. Onni blieb stehen und bestellte Wurst. Ming war freundlich, freundlicher als sonst. Sie ignorierte die anderen Gäste und lehnte sich nach vorne. Sie begann sich zu unterhalten mit der Kröte, sie lächelte. Das Harte verschwand aus ihrem Gesicht. Ihre Zukunft hing ab von diesem Moment.

Weitere Kostenlose Bücher