Nur Blau - Roman
diese kurzgeschorene Chinesin auf seinem Beifahrersitz, wie sie ihren Mund offen hatte und ihn anschrie. Er sah, wie er aufging und zu, wie er rasend schnell auf- und zuging, wie die Zunge im Mund herumschlug. Ben war wie erstarrt.
Das konnte nicht sein. Er hatte an diesem Tag bereits bezahlt für seine Sünden. Zwei Träume waren ihm genug. Und er war doch wach, das konnte nicht sein. Oder war er wieder eingeschlafen. War er gar nicht auf dieser Toilette gewesen. War da gar kein Mann mit blutiger Nase. War es schon wieder ein Traum. Er wollte diesen Traum nicht, gar keinen mehr, seine Augen nie wieder zumachen, nicht mehr schlafen, nicht mehr träumen, nie wieder. Nicht diesen Traum, nicht jetzt. Vielleicht war es die Tochter von dem kaputten Chinesen, weil der keine Zeit hatte, sie wollten ihn fertig machen, dieses Chinesenpack, diese Schweine, diese schlitzäugigen Schweine.
Bens Gedanken flogen wild durcheinander.
Ming schrie.
Eine Minute lang hat er sie nur angestarrt. Dann hat er sich geschlagen.
Er hat seine rechte Hand nach oben genommen und sie sich wild ins Gesicht geschlagen.
Wach auf, das kann nicht sein.
Und noch einmal kam die Hand in sein Gesicht. Spinnst du, schoss es aus Ming heraus. Du sollst losfahren und dich nicht verprügeln. Ich glaube das nicht, fahr endlich.
Ben begann zu zweifeln. Nachdem er noch einmal zugeschlagen hatte und die Chinesin immer noch neben ihm saß, atmete er auf, er wurde sich immer sicherer, dass es kein Traum war. Dass sie wirklich in sein Auto gesprungen war und ihn anschrie. Er hörte sie laut und deutlich.
Fahr los, du Vollidiot. Warum schlägst du dich. Ich brauche doch nur ein Taxi, ich muss weg hier.
Ich bin nicht frei, kam es langsam aus Ben heraus.
Er war sich noch nicht hundertprozentig sicher, ob ihm nicht doch noch Gewalt angetan werden würde, aber er sagte, was er sich dachte. Ich bin nicht frei.
Ich habe Geld, ich bezahle, was du willst, aber fahr. Bitte. Mings Stimme war jetzt leiser, aber sie war immer noch getrieben, unruhig, außer sich.
Sie war zu ihrem Wagen gerannt.
Ali hatte die Kröte gepackt und hinter die Würstchenbude geschoben. Sie hat sich ihre Schürze vom Leib gerissen, den Scheck genommen und sich leise davongeschlichen. Nach zehn Metern ist sie gerannt. Ihr Auto war offen, sie hat sich gesetzt, die Tür zugeschlagen und wollte starten. Nichts rührte sich. Sie schob den Schlüssel ins Zündschloss, drehte ihn, aber nichts passierte. Sie war aufgeregt, sie hatte Angst, sie war jetzt auf der Flucht, sie war glücklich, sie hatte den Scheck in ihrer Tasche. Nichts rührte sich. Auf dem Weg zum Auto hatte sie die Summe noch einmal gesehen. Sie war jetzt im Himmel. Sie musste so schnell wie möglich weg hier. Sie musste weg von hier, dann konnte ihr nichts mehr passieren. Sie wusste von nichts. Sie wusste nichts von einem Scheck. Sie musste jetzt weg hier. Das Auto rührte sich nicht.
Sie bettelte, flehte, schlug mit der Hand auf das Armaturenbrett, streichelte es, schlug es wieder.
Dann war er da. Das Auto sprang an, der Motor war wie immer. Sie musste lachen. Gehetzt zwar, aber sie lachte und parkte aus. Sechsundzwanzig Meter fuhr sie, dann schlug sie wieder auf das Armaturenbrett ein. Das Auto blieb kurz vor der Ausfahrt stehen. Jeder konnte es sehen. Sie war wie eine Leuchtreklame, auf der stand, hier ist dein Geld, du Kröte.
Sie atmete heftig, überlegte, versuchte wieder und wieder, den Motor zu starten. Nichts. Sie machte das Licht aus und lehnte sich weit zurück. Sie griff mit ihrer Hand in die Tasche und fühlte den Scheck, sie überlegte. Wohin sollte sie. Wie sollte sie von hier weg.
Ali würde sie suchen. Die Kröte würde sie suchen. Sie würden gleich da sein. Der Dünne würde durchdrehen. Und Ali auch. Sie wollte beide nie wieder sehen. Das Auto sprang nicht an. Sie war auf diesem Scheißparkplatz. Kein Taxi. Doch, eines. Aber kein Fahrer im Wagen. Sie fluchte. Sie kaute an ihren Nägeln herum. Schaute gehetzt in alle Richtungen. Sie wartete. Saß zusammengekrümmt im Wagen und überlegte. Keiner hinter ihr. Sie würde in dieser Nacht noch verreisen. Sie hatte jetzt Geld. Viel Geld. Aber sie musste hier weg. Sofort. Irgendwie.
Und dann kam Ben.
Der Taxifahrer ging zu seinem Wagen. Er setzte sich. Ming sprang aus ihrem kaputten Auto, rannte und riss die Tür auf.
Fahr los. Gib Gas. Fahr endlich los. Auf was wartest du. Starte deinen Scheißwagen.
Das war eine Stunde und vier Minuten vor
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