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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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sah er den Alfa. Er war einfach da. Ben bremste und riss das Lenkrad nach rechts. Dieses Auto war plötzlich einfach vor ihm, nur wenige Meter. Zwei vielleicht. Einer.
    Bens Augen waren weit offen. Ming hielt sich fest, sagte nichts. Ben schrie. Die Bremsen quietschten. Er hob seinen Wagen mit dem Lenkrad über den Randstein, ein Ruck ging durch das Auto, durch Ben, durch Ming. Er hielt das Lenkrad fest, mit beiden Händen, kurbelte, drehte, riss daran. Ben spürte, wie der vordere rechte Reifen platzte, er spürte, wie die Wand vor ihm immer näher kam. Er spürte, wie sein Leben aufschlug und zerplatzte auf der grauen Mauer vor ihm. Ming machte die Augen zu, sie schwieg und presste die Zähne zusammen, hielt sich überall fest, wo sie konnte.
    Dann prallte der Wagen gegen die Wand.
    Ein Knall am Morgen in einer leeren Straße. Dazu laut Hertas Bremsspuren auf dem Asphalt. Sie stoppte den Alfa, sie atmete, schnell und kräftig. Es war nichts passiert. Sie schaute nach hinten. Das andere Auto würde nie mehr irgendwohin fahren.
    Ming war unverletzt. Sie machte ihre Augen auf und fühlte Gummi in ihrem Gesicht. Überall waren diese Ballons. Sie sah den Taxifahrer kaum, hörte ihn nur schreien, irgendwelche Laute. Auch er war unverletzt. Er schlug auf den Airbag ein, er versuchte sich loszugurten, er biss in das Plastik. Er wollte, dass es platzte, er wollte hinaus, er wollte sehen, was passiert war. Er fühlte, wie es von unten nach oben kam, wie es in ihm aufstieg, wie eine Stimme sagte, dass es jetzt vorbei war, dass jetzt alles vorbei war.
    Nein, schrie Ben, nein, nein, nein.
    Herta versuchte ihn zu beruhigen, aber es gelang nicht. Mit Oliviers Hilfe hatte sie die Fahrertür aufgestemmt, und Ben war ausgestiegen. Ming kletterte ihm nach. Sie war wütend, schwieg aber. Ohne einen Kratzer standen sie da und schauten dem Taxifahrer zu, wie er begann, auf sein kaputtes Auto einzuschlagen. Er hörte niemanden. Er antwortete auf keine Fragen. Er schaute sein Auto an und schlug es. Er rannte um den Wagen herum, blieb stehen, schlug ihn und rannte weiter, er war außer sich. Verschwindet, schrie er. Haut ab, lasst mich in Ruhe. Verpisst euch, geht weg, geht weg.
    Seine Fäuste knallten auf das zerbeulte Blech, bis sie weh taten.
    Was für ein Spinner, dachte Ming.
    Sie spuckte in seine Richtung. Dann ging sie.
    Aber Sie können doch nicht einfach gehen, sagte Herta.
    Natürlich kann sie, sagte Olivier. Er drängte.
    Wir gehen auch. Es scheint nicht so, dass der Mann unsere Hilfe will. Er zitterte. Er nahm Herta an der Hand und zerrte sanft an ihr. Komm, Herta, wir müssen los. Er hat uns beinahe umgebracht. Das Bild, Herta, wir müssen los, uns ist nichts passiert, keine Schramme, komm jetzt bitte, Herta. Schau ihn dir an, mit dem stimmt etwas nicht, aber das ist nicht unser Problem, Herta. Ich bin so froh, Herta, uns ist nichts passiert, Herta.
    Olivier redete schnell und leise. Er hatte eine Träne im Auge und eine zweite kam von innen nach außen. Und noch eine.
    Ich habe gedacht, dass wir jetzt sterben, Herta.
    Er flüsterte. Er fuhr direkt auf uns zu, ich konnte ihn spüren, so nah war er. Ich will hier weg, Herta.
    Sie umarmte ihn. Sie drückte ihn an sich. Er war jetzt ganz still. Er ließ sich halten von ihr. Hinter ihnen schrie Ben und schlug sein Auto.
    Ich passe auf dich auf, Lieber, uns passiert nichts, komm. Sie nahm ihn und brachte ihn zurück auf den Beifahrersitz. Sie startete den Wagen und fuhr.
    Das war vor einer Stunde und siebenunddreißig Minuten.
    Ming drehte sich nicht um. Sie umklammerte den Scheck in ihrer Tasche und ging weiter. Langsam die leere Straße entlang.
    Sie hatte gerade überlebt. Sie ging mit ihren Beinen die Straße entlang. Nichts tat weh. Sie war aus dem Sack gekrochen und war ans Ufer geschwommen.
    Sie würde weiterleben. An einer Kreuzung blieb sie stehen und schrie laut vor Glück.
    Sie lachte dazu. Sie musste jetzt zu einer Bank.
    Hinter ihr, irgendwo, schlug Ben sein Auto. Seine Handballen waren aufgeschnitten. Langsam beruhigten sie sich, langsam blieben sie liegen auf dem kalten Blech. Langsam hörten die Worte auf in seinem Mund.
    Er setzte sich auf den Rücksitz und rührte sich nicht. Bis die Polizei kam. Er schrie nicht mehr, er schlug nicht mehr. Er tat gar nichts mehr. Passanten standen um das Auto, ein Rettungswagen kam. Zwei Polizisten hoben ihn aus dem Auto. Kurz wollte er sich festhalten am Türgriff, ließ aber los. Er zitterte. Er war müde. Er war sehr müde.
    Es

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