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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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war sieben Uhr vierunddreißig.
    Das war vor einer Stunde und sechsundzwanzig Minuten.

22.
    Anna half ihm hoch.
    Es geht schon, sagte Mosca. Es ist besser jetzt. Mein Herz ist wieder still.
    Er griff sich auf die Brust, er zupfte sein Hemd zurecht. Er hatte geschwitzt, Schweißränder waren überall, sein Haar war nass, ihm wurde kurz schwindlig, als er aufstand. Er hielt sich an Anna fest.
    Ich bringe Sie jetzt ins Bett, sagte sie, egal, was Sie sagen, Sie kommen mit.
    Mosca ging mit ihr. Sie trug seinen Arm und ein bisschen von seinem Gewicht auf ihrer Schulter. Er spürte ihr Schlüsselbein, die Knochen unter ihrer Haut. Er genoss es, sich helfen zu lassen.
    Ich muss duschen, sagte er, ich will mir den Dreck abwaschen, diese fürchterliche Musik.
    Anna lächelte. Sich die Musik abwaschen. Sie sind wohl Dichter oder so etwas.
    Anna sagte es ohne Spott, sie war neugierig, was dieser Mann tat, womit er sein Geld verdiente, warum er so gepflegt war. Sie wollte ihn jetzt kennen lernen, sie hatte eine Aufgabe in dieser Nacht. Sie schleppte einen Mann über den Parkplatz, sie half ihm, sie fand ihn sympathisch, sie hatte keine Angst vor ihm, sie musste sich nicht verbergen, sie konnte neben ihm sein, ohne das Gefühl, rennen zu müssen, irgendwohin. Sie hatte sich entschieden, ihrem Gefühl nachzugeben, etwas Unvernünftiges zu tun, etwas, das gegen ihre Regeln war. Sie beschloss, ihn zu mögen, seine Ausstrahlung, sein feines Innen, das sie durch ein kleines Fenster zu sehen glaubte, Höflichkeit, das Gepflegte an ihm.
    Anna schleppte schwer. Sie stoppte.
    Hier warten wir auf ein Taxi. Ben fiel ihr ein.
    Sie hatte gewartet auf ihn, er war nicht gekommen. Und das war gut so. Hoffentlich blieb er weg. Sie schaute sich um. In allen Richtungen suchte sie ein Cabriotaxi, aber es war nicht da. Hoffentlich kam er jetzt nicht, hoffentlich würde sie ihn nie wieder sehen.
    Anna winkte einem Taxifahrer, der die Einfahrt heraufkam. Sie setzte Mosca auf die Rückbank, sie schob ihn durch die Tür und folgte. Dann schlug sie die Tür zu. Nichts wie weg hier.
    Mögen Sie diese Musik auch nicht, fragte Mosca.
    Nein, gar nicht, sagte sie.
    Warum sind Sie dann hier, fragte Mosca.
    Warum sind Sie hier, fragte Anna.
    Dann waren sie beide still und fuhren die Straße entlang und mit dem Lift nach oben in den zweiunddreißigsten Stock. Anna stützte ihn, auch wenn er sich besser fühlte. Sie half ihm aus dem Taxi und in den Lift.
    Der Portier grüßte Mosca sehr freundlich.
    Mich hat er noch nie gegrüßt, aber ich wohne ja auch nicht hier. Anna grüßte freundlich zurück.
    Gute Nacht, sagte sie mit ein wenig Spott in ihrer Stimme und drückte auf den Knopf.
    Der Lift ging nach oben wie immer, nur stieg sie früher aus als sonst. Mosca sperrte auf, er war müde, er wollte sich hinlegen, er wollte nur noch schlafen, er wollte ausgeschlafen sein am nächsten Tag, er wollte das weiße Pulver aus seinem Kopf haben, aus seinem Herz. Er wollte seine Ruhe zurück. Seine Herzschläge so wie immer. Anna ging hinter ihm.
    Mosca schaltete das Licht ein. Er war wieder in seiner Welt. Blau kam es ihm entgegen. Sie hingen still an den Wänden und warteten auf ihn. Jos Bilder. Zehn blaue Bilder. Eines fehlte.
    Anna ging andächtig über die weißen Fließen in den großen Wohnraum. Was sie sah, konnte sie nicht fassen. Mosca setzte sich auf das weiße Sofa, lehnte sich zurück und schaute zu den Bildern. Anna stand.
    Ihre Augen schossen durch den Raum über die weiße Landschaft zu den blauen Bildern hin und wieder zurück. Sie rührte sich nicht.
    Setzen Sie sich doch, hatte Mosca gesagt, aber sie blieb stehen.
    Ich würde Ihnen gerne etwas anbieten, aber ich muss kurz ausruhen, mein Herz beruhigt sich nur langsam.
    Ist schon gut, sagte Anna.
    Sie stand da und schaute. Zuerst starrte sie, dann schwieg sie ehrfürchtig. Sie hatte sich vieles erwartet, aber nicht das. Es war wunderschön. Das Weiß blendete sie beinahe. Es war alles so sauber, so rein, so unschuldig. So unendlich großzügig. Und das Blau, das von den Wänden kam. Wie es den Raum einnahm, wie es in dem Weiß schwebte, strahlte, wie mächtig es war. Wie anziehend, wie fremd, wie unheimlich anders.
    Es war wunderschön. Anna konnte sich nicht bewegen. Sie wollte nicht, sie hatte Angst, aufzuwachen aus einem Traum, falls sie einen Schritt machte. Sie hatte Angst, aus dem Zimmer zu fallen, in das sie gerade hineingegangen war. Sie wollte bleiben.
    Was ist das, fragte sie.
    Das ist Jos Blau,

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