Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:
ein eingerahmtes Foto von Lukas und ihr, das an der Wand hing. Es tat so weh, dass sie die Hand mit einer unkontrollierten Bewegung zurückzog, das Gleichgewicht verlor und vom Stuhl stürzte. Sie fiel zu der Seite, wo eine Kommode mit Schubladen stand, aus de nen Metallgriffe herausstanden. Einer von ihnen traf sie am Mund, und ein anderer riss ihr eine Schramme in die Wange, während sie stürzte. Sie landete mit dem Rücken zuerst auf dem harten, kalten Fliesenboden, und ihr Haar legte sich wie ein weizenblonder Kranz um ihren Kopf. Das Telefon klingelte zum fünften Mal – und dann wurde es still.
*
Sjöberg führte das reinste Junggesellenleben mit Sandén, während die Familie verreist war. Ein Lebensstil, für den Sandén – der sich wenig um seine Gesundheit scherte – immer zu haben war, dem Sjöberg sich allerdings nur selten hingab. Wenn man sich entschieden hatte, fünf Kinder zu haben, musste man auch die Konsequenzen tragen. Aber nicht heute Abend, da wurde gefeiert.
Sjöberg konnte das unbehagliche Gefühl, das der Traum hinterlassen hatte, nicht so richtig abschütteln und war den ganzen Tag mit einem leichten Gefühl des Unwohlseins herumgelaufen. Inzwischen suchte ihn der Traum sogar schon mehrmals in der Woche heim, nachdem er früher nur ein, zwei Mal im Monat aufgetaucht war, und er nahm ihn dermaßen mit, dass er ihn mittlerweile gar nicht mehr richtig in Ruhe ließ, nicht einmal tagsüber.
Umso willkommener war Sandéns Anruf gewesen, als er im Auto saß und von seinem täglichen Besuch bei der Mutter im Krankenhaus von Huddinge zurückkehrte. Voraussichtlich würde sie noch einen weiteren Tag im Krankenhaus bleiben müssen, aber im Großen und Ganzen ging es ihr gut. Sandén schlug vor, dass sie gemeinsam ein Bier trinken gehen könnten, und Sjöberg nahm das Angebot dankend an.
Gegen vier Uhr, als Sjöberg in dem kleinen Pub Half Way Inn in der Swedenborgsgatan auftauchte, saß Sandén bereits auf einem Barhocker am Fenster und wartete auf ihn. Er konnte noch nicht lange gewartet haben, denn die beiden Pints, die vor ihm standen, waren noch unberührt. Sjöberg begrüßte fröhlich seinen alten Mitstreiter, der allerdings nur ein gequältes Lächeln aufbringen konnte. Warum, das verstand er erst, nachdem ihm Sandén sein Gesicht zugewandt hatte.
»Was zum Teufel ist dir denn passiert?«, rief Sjöberg aus. »Hast du ein blaues Auge?«
Sjöberg konnte eine gewisse Belustigung nicht verhehlen. Sandén war groß genug, um alleine klarzukommen, und wenn diesem Grobian etwas zugestoßen war, dann war er bestimmt selber schuld. Er war eine gutmütige Natur, aber ein bisschen zu forsch.
»Bin in eine Tür gelaufen«, antwortete Sandén und trommelte nonchalant mit den Fingerspitzen auf dem Glas herum.
»Aha«, sagte Sjöberg. »Der alte Klassiker.«
Sandén verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die nach Trübsal aussehen sollte, und sagte mit bebender Stimme:
»Es war Sonja. Sie hat mich misshandelt.«
»Oje«, sagte Sjöberg mit gespieltem Mitgefühl und im unerschütterlichen Bewusstsein, dass Sandéns Frau eine weiche und friedvolle Seele von Mensch war, die keiner Fliege ein Bein krümmen konnte. »Wir müssen das Männerhaus anrufen. Sie haben vielleicht noch einen Platz für dich.«
»Nein, verdammt! Ruf im Frauenhaus an. Ich will lieber im Frauenhaus wohnen. Prost.«
Er unterbrach sein Getrommel und hob das Glas. Sjöberg wand sich mit einem breiten Grinsen aus der Jacke, hängte sie an einen Haken unter dem Tisch und setzte sich. Sandén schob ihm das unberührte Glas zu, und Sjöberg trank einen ordentlichen Schluck.
»Was ist denn passiert?«, fragte er jetzt ein wenig ernster.
»Ach, das ist dieser verdammte Pontus«, seufzte Sandén. »Jennys Freund.«
Jenny war die ältere von Sandéns zwei Töchtern. Sie war vierundzwanzig Jahre alt und hatte eine leichte geistige Behinderung. Im Augenblick ging sie weder zur Schule, noch arbeitete sie, aber selbst Sjöberg hielt Augen und Ohren offen, ob es irgendwo einen Job geben könnte, der einfach genug für sie war. Unlängst war sie mit einem jungen Mann zusammengezogen, dem Sjöberg noch nie begegnet war, der nach Sandéns Ansicht allerdings ein unangenehmer Typ sein musste, der sie nur ausnutzte. Jenny war ein unerhört netter Mensch und darüber hinaus sehr gutgläubig. Sandén hatte gelegentlich angedeutet, dass sie bestimmt alles tat, was Pontus von ihr verlangte.
»Hat er dir Saures gegeben?«, fragte
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