Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:
Sjöberg.
Sandén antwortete, indem er Luft zu einem tonlosen »Ja« durch die Lippen einsaugte.
»Was? Du hast dich von einem verdammten kleinen Milchbart verprügeln lassen?«
»So jung ist er nun auch wieder nicht …«
»Dann musst du ihn anzeigen«, sagte Sjöberg erregt. »Erzähl schon. Was ist passiert?«
»Also, eigentlich habe ich ihn ja zuerst gehauen«, sagte Sandén und senkte den Blick.
»Jetzt hör aber auf. Der Junge ist vielleicht ein Idiot, aber da greift man doch nicht zu Gewalt?«
»Er hat Jenny misshandelt. Sie hatte hässliche blaue Flecken an den Armen und hatte sich den ganzen Rücken an einem alten Koffer aufgeschrammt, der in ihrer Wohnung herumsteht.«
Sjöberg wurde ganz kalt ums Herz. Jenny hatte es noch nie leicht gehabt mit ihrer Behinderung. Sie war zu leicht, als dass ihre Umgebung besondere Rücksicht darauf nehmen musste, aber zu schwer, um damit beispielsweise einer normalen Arbeit nachzugehen. Im vergangenen Jahr war sie glücklich verliebt gewesen. Ein Zustand, den ihr ihre Eltern sicherlich von Herzen gönnten, der sie gleichzeitig aber auch zutiefst beunruhigte.
»Ich weiß nicht, warum, sie tut doch keiner Fliege etwas zuleide«, fuhr Sandén fort und trank einen Schluck. »Aber als ich es entdeckt habe, bin ich ausgerastet und habe zugehauen. Der kleine Mistkerl hat zurückgeschlagen, sodass Sonja dazwischengehen musste. Aber sein Veilchen ist bestimmt schlimmer als meins«, fügte er mit einem freudlosen Lachen hinzu.
Sjöberg schüttelte den Kopf.
»Wie unüberlegt, Jens. Der Junge kann dich anzeigen, das ist dir hoffentlich klar. War es das wert? Ist es besser für Jenny, wenn du wegen Körperverletzung sitzt?«
»Du, genau das wollte er auch tun. Da habe ich ihm klargemacht, dass ich ihn dann wegen der Misshandlung von Jenny anzeigen werde. Er hat geantwortet, dass er keine Probleme damit hätte. Er glaubt, dass das Leben im Gefängnis für mich schlimmer wäre als für ihn. Als Polizist eben. Was soll man darauf antworten? Er hat ja recht.«
»Ja, und was hast du ihm geantwortet?«
»Ich habe ihm zehntausend Kronen angeboten, wenn er die ganze Geschichte vergisst, aus der Wohnung zieht und den Kontakt zu Jenny abbricht.«
»Und, hat er angebissen?«
»Er wollte darüber nachdenken.«
»Jenny wird total verzweifelt sein«, sagte Sjöberg traurig.
»Ja, aber wir werden ja für sie da sein. Wenn er ein solches Angebot nicht annimmt, ist er ein Idiot. Zehntausend sind viel Geld.«
Dem war nichts hinzuzufügen. Sjöberg fingerte zerstreut an seinem Glas herum, und seine Augen blieben an einem schottisch karierten Tuch an der Wand hängen. Nach einer Weile brach Sandén das Schweigen.
»Soll das hier etwa ›echt britisch‹ wirken? Hast du in einem echten Pub jemals Tartantapeten gesehen? Die sind schon lustig, diese ›Schotten‹ …«
Sjöberg, der sich gerade den letzten Rest aus seinem Glas einverleibt hatte, lachte, und das Bier lief ihm aus Mund und Nase. Auch Sandén musste lachen, sodass die Leute begannen, zu ihnen herüberzuschauen, und die gedrückte Stimmung war nur noch Geschichte. Sandén ließ sich das Leben nicht durch Sorgen und Kummer vermiesen.
Nach weiteren zwei Bier zogen sie weiter ins Portofino in der Brännkyrkagatan. Das Restaurant war voll, und sie hatten keinen Tisch reserviert, doch Sandén kannte nach einer Reihe von Besuchen bei dem vorzüglichen kleinen Italiener Marco, den Eigentümer. Und der zauberte blitzschnell noch einen freien Tisch für sie herbei. Nach einem großartigen Pastaerlebnis mit Wein zum Essen und Grappa zum Kaffee befanden sie sich kurz vor Mitternacht ausgerechnet an der Cadierbar im Grand Hôtel. Sjöberg hatte ein schlichtes Bier vorgeschlagen, beispielsweise im Akkurat in der Hornsgatan, wo es eine gewisse Auswahl gab. Aber Sandén hatte die Spendierhosen an und wollte den Rest des Abends um jeden Preis in einer Pianobar verbringen. Weil es mittlerweile in Stockholm nur noch eine davon gab, landeten sie im Grand Hôtel.
In Sandéns Gesellschaft gingen ihm nie die Gesprächsthemen aus. Sie hatten eine lange gemeinsame Vergangenheit, da sie seit der Polizeischule immer zusammengearbeitet hatten. Darüber hinaus sahen sich die Familien gelegentlich auch privat und fühlten sich wohl miteinander. Sandéns Töchter wohnten zwar nicht mehr zu Hause, aber bei den Familientreffen ließen sich der joviale Sandén und seine ebenso kinderliebe Frau von den Sjöbergkindern nicht im Geringsten stören.
Der
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