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Nur Der Tod Bringt Vergebung

Nur Der Tod Bringt Vergebung

Titel: Nur Der Tod Bringt Vergebung Kostenlos Bücher Online Lesen
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eindrucksvollen Ansammlung mächtiger Gebäude angewachsen. Noch nie zuvor hatte Northumbrien so prächtige Bauten gesehen. Und es dauerte nicht lange, bis Streoneshalh im gesamten Königreich als eines der wichtigsten Zentren der Gelehrsamkeit galt. Dieser Ruhm hatte sicherlich dazu beigetragen, daß König Oswiu die Abtei zum Schauplatz des großen Disputs zwischen den Anhängern Ionas und Roms gewählt hatte.
    Selbstgefällig faltete Colmán die Hände vor dem Bauch. «Wie Euch bekannt ist, habe ich viele Menschen von großem Wissen und höchster Begabung nach Streoneshalh berufen, um die Sache unserer Kirche würdig zu vertreten», sagte er. «Allen voran Étain, die Äbtissin von Kildare. Bei solchen Gelegenheiten stelle ich immer wieder fest, daß ich ein zu einfacher, geradliniger Mann bin und über zu wenig gelehrsamen Hintersinn verfüge. Im akademischen Disput ist derjenige, der mit einfachen Worten offen seine Ansicht vertritt, gegenüber jenen, die Geist und Witz versprühen, um das Publikum auf ihre Seite zu ziehen, deutlich im Nachteil. Äbtissin Étain ist eine Frau von großer Wortgewalt, und sie wird für uns die Eröffnungsrede halten.»
    Hilda nickte zustimmend.
    «Ich hatte bereits Gelegenheit, mit Étain von Kildare zu sprechen. Ihr Geist ist ebenso scharf wie ihr Äußeres anziehend.»
    Colmán schnaubte mißbilligend. Äbtissin Hilda hob eine Hand, um ihr Lächeln zu verbergen. Sie wußte, daß Colmán sich nicht viel aus Frauen machte. Er gehörte zu den Asketen, die der Ansicht waren, daß die Ehe mit einem spirituellen Leben nicht zu vereinbaren sei. Dem weitaus größten Teil der christlichen Geistlichkeit in Irland und Britannien galten Ehe und Fortpflanzung nicht als Sünde. Im Gegenteil, in vielen Abteien lebten Ordensbrüder und -schwestern zusammen und wirkten gemeinsam an der Förderung ihres Glaubens. Auch Hildas Abtei Streoneshalh war ein solches Doppelhaus, in dem Männer und Frauen ihr Leben und ihre Kinder dem Werk Gottes weihten. Rom dagegen räumte zwar ein, daß selbst Petrus, der wichtigste aller Apostel, verheiratet gewesen war und der Apostel Philippus nicht nur eine Frau, sondern auch vier Töchter gehabt hatte, aber es war allgemein bekannt, daß die römischen Bischöfe den von Paulus befürworteten Zölibat am liebsten für alle Geistlichen verbindlich vorschreiben würden. Hatte Paulus den Korinthern nicht geschrieben, Ehe und Fortpflanzung seien zwar keine Sünde, aber dem Zölibat der Glaubensbrüder unterlegen? Und doch waren die meisten römischen Geistlichen, sogar Bischöfe, Äbte und andere hohe Würdenträger weiterhin verheiratet. Nur die Asketen trachteten danach, allen Versuchungen des Fleisches zu entsagen, und Colmán war einer von ihnen.
    «Ich nehme an, daß Wilfrid von Ripon die Eröffnungsrede für die römische Seite halten wird, auch wenn Deusdedit von Canterbury anwesend ist. Mir wurde gesagt, Deusdedit sei kein großer Redner», wechselte Colmán das Thema.
    Äbtissin Hilda schüttelte den Kopf.
    «Meines Wissens wird Agilbert, der fränkische Bischof von Wessex, den Disput für sie eröffnen.»
    Colmán hob überrascht die Augenbrauen.
    «Ich dachte, Agilbert habe sich mit dem König von Wessex überworfen und sei in seine Heimat zurückgekehrt?»
    «Nein, er hält sich schon seit mehreren Monaten bei Wilfrid in Ripon auf. Schließlich war es Agilbert, der Wilfrid zum Glauben bekehrt und getauft hat. Sie sind gute Freunde.»
    «Ich habe von Agilbert gehört. Ein fränkischer Aristokrat. Sein Vetter Audo ist der fränkische Prinz, der in Jouarre eine Abtei gegründet hat, welche seine Schwester Telchilde als Äbtissin führt. Agilbert hat gute Verbindungen und ist sehr einflußreich. Ein Mann, vor dem man sich in acht nehmen muß.»
    Colmán schien seine Warnung gerade bekräftigen zu wollen, als es an der Tür klopfte.
    Auf Äbtissin Hildas Zuruf öffnete sich die Tür.
    Eine junge Ordensschwester stand auf der Schwelle. Sie war hochgewachsen, und ihre anmutige Gestalt strahlte, wie die wachen Augen der Äbtissin sofort bemerkten, jugendliche Lebenskraft aus. Ein paar widerspenstige rote Haarsträhnen schauten unter ihrer Kopfbedeckung hervor. Sie hatte ein ansprechendes Gesicht – nicht schön, dachte Hilda, aber ansprechend. In diesem Augenblick bemerkte die Äbtissin, daß sie ebenfalls von einem Paar wachsamer, heller Augen gemustert wurde. In dem spärlichen Licht vermochte sie jedoch nicht auszumachen, ob die Augen der jungen

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