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Nur Der Tod Bringt Vergebung

Nur Der Tod Bringt Vergebung

Titel: Nur Der Tod Bringt Vergebung Kostenlos Bücher Online Lesen
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die Zeugen finden, die ihren Namen und die genaue Stunde ihres Todes gehört haben wollen. Kurz, wir müssen herausfinden, wie genau seine Prophezeiung gewesen ist. Ich fürchte, er ist ein eitler Mann.»
    Wütend spuckte Canna aus.
    «Ich habe Euch erzählt, was ich gesagt habe und warum ich es gesagt habe. Ich habe keine Angst vor den Sachsen und ihren Strafen. Mit dieser Prophezeiung werde ich als einer der größten Seher meiner Zeit in die Geschichte eingehen.»
    Schwester Fidelma zog die Augenbrauen hoch.
    «Legt Ihr es darauf an, Canna? Wollt Ihr zum Märtyrer werden, um Euch einen Platz in der Geschichte zu sichern?»
    Canna kicherte heiser.
    «Soll die Nachwelt das gerechte Urteil über mich fällen.»
    Schwester Fidelma schob Eadulf zur Tür der Zelle, wandte sich aber noch einmal um.
    «Warum habt Ihr heute Äbtissin Étain besucht?»
    Canna erschrak. «Nun …», begann er unsicher, «um sie zu warnen natürlich.»
    «Ihr wolltet sie vor ihrer eigenen Ermordung warnen?»
    «Nein …» Canna streckte trotzig das Kinn vor. «Doch. Warum hätte ich sonst zu ihr gehen sollen?»
    Vor der Zelle wandte sich Eadulf an Fidelma.
    «Kann es sein, daß dieser Mann Étain getötet hat, um seine eigene Prophezeiung zu erfüllen?» fragte er. «Immerhin gibt er zu, bei ihr gewesen zu sein, und Schwester Athelswith kann dies bezeugen.»
    «Ich bezweifele es. Ich habe große Achtung vor der Kunst, die er ausübt. Die Astrologie ist in meinem Land seit Menschengedenken hoch angesehen. Niemand könnte die Sterne willkürlich mit solcher Logik auslegen. Nein, ich habe das Gefühl, Canna erkannte an der Konstellation der Sterne tatsächlich, daß ein Unheil nahte. Die Frage ist bloß, ob er wirklich so genau gewußt hat, wem der Tod drohte. Hat Äbtissin Hilda nicht bezeugt, er habe, als er bei ihr war, keine genauen Angaben gemacht, sondern nur prophezeit, daß zur Zeit der Sonnenfinsternis in der Abtei Blut fließen würde?»
    «Aber wenn Canna nicht wußte, wer der Untat zum Opfer fallen würde, was hat er dann bei Äbtissin Étain gewollt?»
    «Es ist schon spät. Wenn Alhfrith entschlossen ist, diesen Mann am frühen Morgen hinzurichten, bleibt uns nur wenig Zeit. Laßt uns nach den Zeugen suchen und herausfinden, was sie tatsächlich gehört haben. Ich schlage vor, Ihr nehmt Euch die drei Sachsen und den Than von Frihop vor, und ich spreche noch einmal mit Schwester Athelswith über Cannas Besuch bei Étain. Um Mitternacht treffen wir uns dann im domus hospitale. »
    Auf dem Weg zurück zur Abtei dachte Fidelma kopfschüttelnd daran, wie bereitwillig Canna sich zum Opfer der sächsischen Gerichtsbarkeit machte. Sie war überzeugt davon, daß er, was den Mord an Étain betraf, unschuldig war. Sein einziger Fehler lag in seiner übertriebenen Geltungssucht. Durch eine große Prophezeiung, von der die Chronisten noch nach Generationen berichten würden, versuchte er, Unsterblichkeit zu erlangen.
    Sie war wütend auf Canna, denn so beeindruckend seine Weissagung auch sein mochte, hielt sie doch alle Beteiligten davon ab, den echten Bösewicht, den Mörder ihrer Freundin und Mutter Oberin, Étain von Kildare, zu finden.
    Inzwischen war ihr klargeworden, daß viele Teilnehmer der großen Versammlung Étains Redegewandtheit fürchteten. War diese Furcht so groß, daß sie beschlossen hatten, sie auf ewig zum Schweigen zu bringen? Fidelma hatte in den letzten Tagen genug Gewalt zwischen den Anhängern Columbans und Roms gesehen, um zu wissen, daß der Haß sehr tief saß – vielleicht sogar tief genug, um Étain das Leben zu kosten.
     

IX
     
    Als Schwester Fidelma den Kreuzgang betrat, der zum domus hospitale führte, läutete die Glocke zum Mitternachtsgebet. Den Kopf über seinen Rosenkranz gebeugt, kniete Bruder Eadulf in Schwester Athelswiths officium und stimmte das römische Angelus an.
     
    Angelus Domini nuntiavit Marine.
    Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft.
    Et concepit de Spiritu Sancto.
    Und sie empfing vom Heiligen Geist.
     
    Schwester Fidelma wartete, bis Eadulf sein Gebet beendet und den Rosenkranz wieder in der Tasche seines Gewandes verstaut hatte.
    «Nun?» fragte sie ohne weitere Einleitung.
    Bruder Eadulf schürzte die Lippen.
    «Es scheint, als hättet Ihr recht. Nur Wulfric behauptet, Canna habe den Namen der Äbtissin und die genaue Todesart genannt. Von den restlichen dreien sagt einer, er habe Canna gar nicht selbst gehört, sondern nur das vernommen, was Wulfric ihm über Cannas

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