Nur Der Tod Kann Dich Retten
Jackes unser Beileid aus. Meine Mutter brachte einen Erdnussbutter-Kuchen mit,
den sie aus dem Supermarkt hatte, jedoch als selbstgebacken verkaufen wollte. Das war egal, weil Mrs. Jackes, wie sich herausstellte, auch gegen Erdnüsse allergisch war und den Kuchen deshalb nicht verzehren, ja nicht einmal im Haus behalten konnte. Also haben wir das verdammte Ding wieder mitgenommen und ganz alleine aufgegessen. Meine Mutter sagte, es könne gar nicht sein, dass Mrs. Jackes gegen so vieles allergisch sei, sie wäre bloß hochnäsig und würde sich für etwas Besseres halten. Wir haben nie wieder mit ihr gesprochen. Ein paar Monate später brachten ihre Kinder sie in ein Altersheim in Hallendale, und eine neue Familie kaufte das Haus, grub den Garten um und ließ einen Pool einbauen. Aber sie haben uns nie eingeladen.
Schwimmen habe ich nicht mehr gelernt. Jedenfalls nicht gut. Wasser macht mir Angst. Bis heute. Wie es sich anschleicht.
In dieser Hinsicht bin ich wohl auch ein wenig wie Wasser.
Eine weitere unangenehme Erinnerung: Die Sommerferien in Pompano Beach mit meiner Mutter, meinen Großeltern und natürlich meiner Tante. Diese Urlaube waren immer eine Tortur für mich, vor allem wegen meiner Tante, die sich offenbar alle nur erdenkliche Mühe gab, mir das Leben zur Hölle zu machen. Kein Wunder, dass ihr Mann noch vor seinem vierzigsten Geburtstag gestorben ist. Wahrscheinlich war er dankbar für das, was ihn dahingerafft hat. Der Tod war die einzige Rettung vor der Hexe.
Nachdem ich als Kind beinahe ertrunken wäre, hatte meine Tante entschieden, dass ich unbedingt schwimmen lernen müsste. Sie wollte mich nicht irgendwann im Pool des Motels treiben sehen, erzählte sie jedem, der zuhörte – und sie liebte Publikum -, und sie mochte sich auch nicht ständig Sorgen machen, dass ich von einer tödlichen Unterwasserströmung aufs Meer hinausgezogen würde. Sie wollte sich einfach entspannen und ihren Urlaub genießen, wiederholte sie bis zum
Erbrechen. Deshalb engagierte sie sofort nach unserer Ankunft einen Rettungsschwimmer, der mir schwimmen beibringen sollte. Er hat es versucht, das will ich ihm zugutehalten. Und am Ende ist es ihm sogar gelungen, mich länger als drei Sekunden ohne Unterbrechung über Wasser zu halten, obwohl ich nie mehr geschafft habe, als mit allen vieren zu strampeln wie ein Hund. Er erklärte mir, dass ich nur richtig schwimmen lernen würde, wenn ich den Kopf unter Wasser tauchte, worauf ich ihm erklärte, dass ich das gar nicht wollte und mich schlichtweg weigerte.
Davon ließ sich meine Tante, die nie gelernt hat, wann man es gut sein lassen sollte, keineswegs bremsen. Sie konnte mich einfach nicht in Ruhe lassen. Sie konnte es sich beispielsweise nicht vorstellen, dass irgendjemand tatsächlich gerne ein Buch las. Oder ein Bild malte. Nein, wie jemand, der ständig an einer Kruste knibbeln muss, bevor die Wunde darunter verheilen kann, saß sie mir unentwegt im Nacken, organisierte Bootsfahrten und Hochseeangeltouren, auf denen mir jedes Mal speiübel wurde. Für jemanden, der angeblich in ständiger Angst lebte, mich ertrinken zu sehen, sorgte sie jedenfalls dafür, dass ich verdammt viel Zeit auf oder am Wasser verbrachte.
In einem Jahr bestand sie darauf, dass wir alle Wasserski laufen lernten, und versprach mir, dass es leichter sei als Fahrrad fahren, womit ich auch meine Probleme hatte. Ich weiß nicht, welch unseliges Fehlurteil dazu führte, dass ich ihr Glauben schenkte, oder ob ich bloß mitmachte, damit sie endlich die Klappe hielt. Vielleicht lag es auch daran, dass es bei den anderen Kindern so leicht und mühelos aussah, wie sie, den Kopf lachend nach hinten geworfen, übers Wasser glitten und gelegentlich eine Hand vom Seil nahmen, um den neidischen Zuschauern am Ufer zuzuwinken. Jedenfalls beschloss ich, es zu versuchen. Mit einer sorgfältig angelegten Schwimmweste stieg ich auf die Skier und wartete auf den Start des Bootes. »Festhalten!«, höre ich meine Tante bis
heute rufen, während ich mich bemühte, mich aufzurichten. Nun, ich kam kaum aus der Hocke, bevor das beschleunigende Motorboot mir das Seil schmerzhaft aus der Hand riss und ich mich in dem salzigen Wasser wiederfand, wild mit den Armen rudernd, die Schwimmweste schmerzhaft ans Kinn gepresst, während die Skier von meinen Füßen an die Oberfläche schossen. »Du Riesenbaby«, sagte meine Tante und zog mich an Deck. Sie lachte, bis wir zurück im Motel waren.
Es war jedes Jahr mehr oder
Weitere Kostenlose Bücher