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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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mitkommen, also hat meine Tante mich begleitet, die ohnehin nur herumsaß. Ich sehe es noch vor mir, wie sie mit Robby Warrens Vater geflirtet und sich dabei am Beckenrand mit Sandwiches vollgestopft hat. Die guten Party-Sandwiches. Mit dick Butter. Deshalb sind sie ja so lecker.
    Jedenfalls war es sehr heiß, und ein Haufen Kinder planschte im Pool rum und machte einen Riesenradau. Und die Erwachsenen quatschten und tranken, und zwar nicht nur Limonade, glaube ich, obwohl meine Tante das immer bestritten hat. Genau so wie sie meine Erinnerung an das Folgende
in Zweifel gezogen hat. Sie bestand darauf, dass ich mich keinesfalls an die Ereignisse jenes Nachmittags erinnern könne, weil ich noch viel zu klein gewesen sei. Sie meinte, Kinder in diesem Alter könnten sich noch nicht an bestimmte Dinge erinnern, schon gar nicht so detailliert wie ich. Ich habe aufgehört, sie vom Gegenteil überzeugen zu wollen. Sie hatte ihre Wahrheit. Ich hatte meine. Und sie musste schließlich damit leben.
    Aber sie war eine solche Lügnerin. Sie hat unbeirrt behauptet, dass sie mich die ganze Zeit im Auge hatte, als ich im Wasser war. Sie behauptete, sie hätte sich nur für eine halbe Sekunde abgewandt, und als sie wieder hingesehen hätte, wäre ich verschwunden gewesen, weshalb sie angenommen hätte, dass ich aus dem Pool geklettert wäre, um die Örtlichkeit zu benutzen. So hat sie die Toilette immer genannt – die Örtlichkeit. Sie dachte, das klänge vornehmer. Ich konnte sie zum Wahnsinn treiben, wenn ich gesagt habe: »Ich gehe zur Toilette.« Ich sehe sie bis heute zusammenzucken. Und deshalb habe ich es natürlich gesagt.
    Jedenfalls hat sie erzählt, sie hätte im Haus nach mir gesucht, obwohl ich glaube, dass sie dort Warrens Vater treffen wollte. Aber sie behauptete natürlich, sie wäre ihm auf der Suche nach mir zufällig begegnet, als ob es meine Schuld gewesen wäre, und ja, vielleicht wäre sie ein paar Sekunden abgelenkt gewesen, aber auf keinen Fall länger, obwohl andere sagten, dass ich mindestens eine Minute lang unter Wasser gewesen wäre. Ich weiß es nicht. Ehrlich gesagt erinnere ich mich nicht mehr daran, wie lange ich unter Wasser war. Ich weiß nur noch, wie ich mit einem der Kinder gerungen habe, ausgerutscht und untergetaucht bin. Ich erinnere mich an den Geschmack von Chlor im Mund, und wie schleimig sich das lauwarme Wasser anfühlte, als es in meine Nasenlöcher drang. Ich erinnere mich, wie meine Haare um meinen Kopf schwebten wie Seegras. Und dann an nichts mehr.
    Dann waren da plötzlich Stimmen, ein Kreischen und
Schreien. Fäuste, die auf meine Brust trommelten, während jemand meinen Kopf nach hinten neigte, meine Lippen öffnete, mir die Nase zuhielt und Luft in den Mund blies. Ich weiß noch, wie ich gewürgt und irgendjemandem Wasser in den Schoß gespuckt habe. Und ich erinnere mich, dass meine Tante geheult hat und sich dermaßen hysterisch aufgeführt hat, dass überlegt wurde, sie ins Krankenhaus zu bringen. Erst von Robby Warrens Vater – der sie dafür zehn Minuten ins Haus begleiten musste – ließ sie sich schließlich so weit beruhigen, dass sie gefasst genug war, mich nach Hause zu bringen. Dort erklärte sie meiner Mutter, dass es meine Schuld gewesen sei, dass ich beinahe ertrunken wäre, und meine Mutter schlug sich auf ihre Seite und schimpfte mit mir . Sie schüttelte mich, bis mir schwindelig wurde, und schrie, dass ich besser aufpassen müsste, nicht weil ich fast gestorben wäre, sondern weil ich Robby Warrens Geburtstagsfeier ruiniert hatte und wir nun wahrscheinlich nie wieder eingeladen würden. Und was wir jetzt im Sommer machen sollten, wenn es wirklich heiß würde und wir uns nirgendwo mehr abkühlen könnten?
    Die Familie Warren zog dann in jenem Sommer aus – und ein altes Ehepaar ein. Sie schwammen nicht und ließen deshalb den Pool, den Rasen und alles herausreißen, um den Garten zuzupflastern, weil der alte Mr. Jackes nicht mehr die Kraft hatte, ständig Unkraut zu jäten, wie er sagte. Ich sagte, ich würde es freiwillig machen – das heißt, genau genommen sagte es meine Mutter -, aber Mr. Jackes meinte, seine Frau wäre sowieso allergisch gegen Gräser, deshalb wäre es besser so. Ich mochte Mr. Jackes. Er war groß und barsch und meistens auf irgendwas wütend. Aber bei ihm wusste man wenigstens immer, woran man war. Bei ihm gab es kein Getue. Kein leeres Gequatsche. Und von welchem Menschen kann man das schon sagen?
    Nach seinem Tod sprachen wir Mrs.

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