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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Aber jetzt würde ich gern nach Hause fahren.«
    »Nach Torrance?«
    »Ja. Nach Torrance.«
    »Wo das Mädchen ermordet wurde.« Diesmal war es keine Frage, sondern eine Feststellung.
    Sandy hielt unwillkürlich den Atem an.
    »Glaubst du, sie war auch so dumm, in den Wagen eines Fremden zu steigen?«
    »Oh Gott.« Sandys Magen schlug jetzt Salti gegen ihr pochendes Herz.
    »Glaubst du, sie hat auch geglaubt, sie kriegt bloß ein leckeres Hühnchen?«
    Was wollte er ihr sagen? Dass er Liana Martin ermordet hatte und nun auch sie töten würde? Würde die Polizei ihre verwesende Leiche in einem entlegenen Sumpf finden, den halben Kopf weggeschossen? Die Vorstellung versetzte sie in Bewegung. Sie stieß ihn aus dem Weg und rannte zur Wohnungstür.
    Er war direkt hinter ihr. »Du willst raus?«, wollte er wissen und versperrte ihr wieder den Weg. »Gut. Du willst raus? Dann verschwinde!« Er griff hinter sich, öffnete die Wohnungstür. Sandy stürzte, seine Stimme im Ohr, zu den Fahrstühlen. »Du bist erbärmlich, weißt du das? Willst du wissen, warum ich dich heute Abend ausgesucht habe? Ich habe dich gewählt, weil ich dachte, du wärst eine absolut sichere Nummer. Eine alte Schachtel wie du – ich dachte, du wärst dankbar.«
    Als Sandy den Aufzug betrat, fragte sie sich, wie sie so dumm hatte sein können. Wie hatte sie in diesen Schlamassel geraten können? Sie war mindestens eine Autostunde von Torrance entfernt und hatte nicht einmal ein Handy, um sich ein Taxi zu rufen, ganz zu schweigen davon, dass die Fahrt sie einen Wochenlohn kosten würde. Sie konnte auch schlecht Rita anrufen und ihre Freundin bitten, sie abzuholen, nachdem
sie sie am früheren Abend einfach sitzen gelassen hatte. Sie war betrunken, ihr war speiübel, und ihre Kinder würden entsetzt sein, wenn sie sie so sahen. Sie hoffte inständig, dass sie schon schliefen, wenn sie nach Hause kam.
    Sie sah auf die Uhr, aber das Zifferblatt drehte sich vor ihren Augen, und die Zahlen wollten nicht stehen bleiben. »Er hat Recht«, sagte sie, als die Fahrstuhltür sich in der Lobby öffnete. »Du bist wirklich erbärmlich.«
    »Haben Sie etwas gesagt?«, fragte der alte Mr. Samuels hinter seinem Empfangstresen.
    »Könnten Sie mir vielleicht ein Taxi rufen?«, fragte Sandy noch, bevor sie sich auf den gold getupften Marmorboden erbrach.

18
    TOTENBUCH
    H eute Morgen habe ich mich nicht so besonders gefühlt, deshalb bin ich zu Hause geblieben und habe mich ausgeruht. Ich weiß nicht genau, was es war. Erschöpfung vielleicht. Oder irgendein Virus, den ich mir eingefangen habe. Irgendwas ist ja immer im Umlauf. Es ist ziemlich unheimlich, wenn man darüber nachdenkt, was da draußen alles lauert. Mikroben und Bakterien, exotische Viren, seltsame und tödliche Varianten der Grippe, und alle warteten sie nur auf den richtigen Augenblick, um loszuschlagen.
    So ähnlich wie ich.
    Ich werde nicht oft krank, aber sobald ich am Morgen einen Fuß aus dem Bett gesetzt hatte, wusste ich, dass irgendwas nicht stimmte. Meine Beine waren wackelig und schwach. Mir war übel und schwindelig, und ich hatte keinen Appetit. Meine Muskeln waren wie schlaffe Gummibänder, die mein Gewicht nicht tragen konnten. »Ich fühl mich nicht ganz wie ich selbst«, wie meine Tante immer zu sagen pflegte, wenn sie krank wurde, und ich begriff zum ersten Mal, was sie damit meinte. Da heute ohnehin Sonntag ist und es keinen dringenden Grund gab, mich aus den Federn zu zwingen, habe ich beschlossen, mir den Vormittag freizugeben. Ich hatte schließlich eine Pause verdient. Ich musste meine Batterien neu aufladen und wieder zu Kräften kommen.
    Vielleicht lag es auch am gestrigen Abend. Die Feier im Park. Eine Feier des Todes sozusagen. Ich habe die Ereignisse aufmerksam verfolgt und muss zugeben, dass es mir einen regelrechten
Kick gegeben hat. Vielleicht war mir heute Morgen deshalb so schwummrig. Vielleicht habe ich unter einem »Todeseuphorie-Kater« gelitten. Wenn dem so war, möge es der erste von vielen gewesen sein.
    Und was habe ich den ganzen Vormittag im Bett gemacht? Habe ich überlegt, geplant, selektiert, antizipiert und Erinnerungen und wilden Fantasien nachgehangen? Nun ja, all das. Ich bin sehr kreativ, auch wenn das selten bemerkt und ganz bestimmt nie gefördert wird. Die Leute neigen dazu, einen in eine Schublade zu stecken. Sie denken, sie kennen einen. Und sie werden selbstgefällig in ihrer Wahrnehmung von dem, wer man ihrer Meinung nach ist. Sie wollen dieses

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