Nur Der Tod Kann Dich Retten
Hühnchen auch nur halb so gut war wie der Martini. Sie setzte sich auf das Sofa und spürte sofort, wie die Seide ihres Kleides an dem Leder klebte, schlug auf der Suche nach einer bequemen Position die Beine übereinander und streckte sie wieder aus. Sie nippte noch einmal an ihrem Martini, der viel mehr nach Apfel als nach Wodka schmeckte, sodass vermutlich kaum Gefahr bestand, dass er sie betrunken machen würde. Sie suchte einen Platz, um das Glas abzustellen, fand keinen und trank noch einen Schluck und dann noch einen und noch einen, jedes Mal größer als der vorherige, bis das Glas unversehens halb leer war. Egal, dachte sie und kippte den Rest auch herunter. Niemand sollte ihr vorwerfen können, dass sie nicht wusste, wie man sich amüsierte.
»Hey, Sandy«, rief Will aus dem Nebenzimmer. »Komm mal. Das musst du dir angucken.«
Sandy stellte das leere Glas auf den Boden, stand auf und merkte, dass das Zimmer sich drehte. »Hopsa«, sagte sie und packte die Sofalehne, bis das Zimmer zum Stillstand kam.
»Sandy«, rief er noch einmal.
»Wo bist du?«
»Im Schlafzimmer. Rechts den Flur hinunter.«
Im Schlafzimmer, wiederholte Sandy, bog links ab und landete in der Küche. Da konnte sie gleich mal nach dem Hühnchen sehen, dachte sie, beugte sich schnuppernd vor und öffnete die Tür des Backofens.
Der Ofen war leer.
Sandy wich erschrocken zurück. Vielleicht hatte sie ihn falsch verstanden, dachte sie, verzweifelt um einen klaren Gedanken bemüht. Hatte er nicht gesagt, dass er das Hühnchen aufwärmen wollte?
»Sandy«, rief er noch einmal. »Was ist los?«
»Ich komme.« Sie ging den Flur hinunter zum Schlafzimmer, auch wenn eine leise, aber eindringliche Stimme in ihrem Kopf sie drängte, so schnell wie möglich durch die Wohnungstür zu verschwinden. »Ich dachte, du hättest gesagt, du wärmst das Hühnchen auf«, sagte sie in der Tür.
»Ich habe gesagt, dass es ein paar Minuten dauern würde«, verbesserte er sie. »Im Moment heize ich erst mal den Ofen vor.«
»Oh.« Hatte der Ofen sich warm angefühlt?
»Hat dir schon mal irgendjemand gesagt, dass du ein ziemlich argwöhnischer Mensch bist?«
»Tut mir leid.« Sie verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen und verspürte ein beinahe überwältigendes Bedürfnis, zu Boden zu sinken.
»Alles in Ordnung?«
»Ich glaube, der Drink ist mir direkt zu Kopf gestiegen.«
»Du hast das ganze Glas getrunken?«
»Das war wahrscheinlich ein Fehler.«
»Willst du dich hinsetzen?« Er blickte zu dem großen Doppelbett, das beinahe das ganze Zimmer einnahm.
Sandy bemerkte die Seidenbettwäsche und schüttelte den Kopf. Ganz schlechte Idee, dachte sie, als das Zimmer sich zu
drehen begann. »Du hast gesagt, du wolltest mir etwas zeigen?«
Will wies auf den Computer auf dem schmalen Schreibtisch gegenüber dem Bett. »Guck dir das mal an.«
Sandy trat vor den großen Flachbildschirm und riss die Augen auf, als sie das Bild auf dem Monitor sah.
»Unglaublich, was die Leute einem so zuschicken, findest du nicht?«
Sandy starrte mit offenem Mund auf einen Mann und eine Frau, beide nackt, sie vorgebeugt, während er von hinten mit beiden Händen ihre Brüste packte und sein erigiertes Glied an strategischer Position an ihrem Hintern angesetzt hatte.
»Toller Arsch, was?«, meinte Will.
Sandy war sich nicht sicher, ob es Wills Hände waren, die sie unvermittelt auf ihren eigenen Brüsten spürte, oder sein nonchalanter Gebrauch des Wortes Arsch, jedenfalls stieß sie ihn heftig von sich und fuhr zur Schlafzimmertür herum.
»Was machst du? Wohin gehst du?«, fragte er, packte ihre Hand, zog sie zurück und drückte ihre Hand auf seine Hose.
Sandy riss die Hand weg, als hätte sie eine heiße Herdplatte berührt. »Ich bin schon weg.«
»Sei doch nicht albern. Wofür bist du denn hergekommen?«
»Ich dachte, wir wollten Hühnchen essen«, stotterte Sandy und wusste selbst, wie lächerlich das klang.
»Ach, komm schon«, sagte er und stellte sich vor sie, um ihr den Ausgang zu versperren. »So naiv ist doch keiner.«
»Offensichtlich doch. Hör mal, es tut mir leid, wenn du einen falschen Eindruck bekommen hast.«
»Den falschen Eindruck? Du hast mich den ganzen Abend angemacht.«
»Was? Wie kannst du so etwas sagen.«
»Du bist in mein Auto gestiegen. Oder?«
»Ja,« räumte Sandy ein, während sich neben dem Zimmer vor ihren Augen nun auch noch ihr Magen zu drehen begann.
»Das war nicht besonders schlau, das gebe ich zu.
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