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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Glas.
    »Das hat aber gedauert«, sagte sie. Kein »Danke« oder »Sehr nett von dir«.
    »Gern geschehen«, sagte ich und beobachtete, wie sie das halbe Glas mit einem großen Schluck herunterkippte.
    »Nicht schlecht«, erklärte sie und nahm noch einen Schluck, bevor sie sich scheinbar in Gedanken versunken zurücklehnte. Dann trank sie noch einen Schluck, verzog das Gesicht und stellte das Glas auf den Boden.
    »Irgendwas nicht in Ordnung?«
    »Es schmeckt bitter.«
    »Soll es das nicht auch?«
    »Wahrscheinlich hast du zu viel Tonic genommen.«
    »Ich könnte noch ein bisschen Gin nachgießen«, bot ich an.
    Sie betrachtete das fast leere Glas und sprang unvermittelt auf. »Nein, schon gut. Ich sollte besser los.«
    »Warum bleibst du nicht noch einen Moment?«, säuselte ich, so versöhnlich ich konnte. »Wir sehen uns so selten. Kommen gar nicht mehr zum Reden.«
    »Du willst mit mir reden?« Sie wirkte überrascht, vielleicht sogar geschmeichelt.

    »Wie kommst du zurecht?«, fragte ich.
    »Wie ich zurechtkomme? Wie meinst du das?«
    »Wie läuft dein Job bei der Bank?«
    Sie schnalzte verächtlich und verzog ihren Mund. »Schrecklich. Wenn Al in finanziellen Dingen nicht so ein Idiot gewesen wäre, wäre ich heute gar nicht in dieser Lage. Wie dem auch sei, ich sollte jetzt besser nach Hause fahren und mich schönmachen.«
    »Aber du bist doch schon schön«, erklärte ich ihr, obwohl ich mich dabei beinahe verschluckt hätte.
    Sie tätschelte lächelnd ihr krauses Haar. »Vielen Dank. Das ist sehr nett.« Sie beugte sich vor, um mich auf die Stirn zu küssen und geriet dabei leicht ins Stolpern. »Oh«, sagte sie und fasste sich, die Schuhe immer noch in der Hand, an die Schläfe.
    »Irgendwas nicht in Ordnung?«
    »Mir ist nur auf einmal ein bisschen schwindelig.«
    »Vielleicht solltest du dich setzen.«
    »Nein, alles okay.« Sie machte ein paar Schritte Richtung Tür und blieb dann schwankend stehen.
    »Vielleicht sollte ich dich fahren«, bot ich an.
    »Sei nicht albern. Mir geht es bestens. Ich bin bloß zu schnell aufgestanden, das ist alles.« Sie griff nach der Türklinke und verfehlte sie um etliche Zentimeter.
    Ich war direkt hinter ihr. »Ich muss sowieso los. Bin in einer halben Stunde mit jemandem verabredet.« Eine weitere Lüge. Ich war nicht verabredet. »Du kannst mich mitnehmen. Jedenfalls bis zu dir nach Hause. Dann sehe ich weiter.«
    Sie stimmte weder zu, noch widersprach sie, als ich die Haustür öffnete und sie zu ihrem dunkelgrünen Buick führte. Erwartungsgemäß wischte sie meine Hand von ihrem Ellenbogen und wies meinen Versuch zurück, ihr die Autotür zu öffnen. »Was soll das?«
    »Ich wollte dir bloß helfen.«
    »Halt einfach die Klappe.«

    Also fuhren wir schweigend zu ihr nach Hause. Man hörte nur ihren zunehmend abgerissenen Atem. Ich behielt sowohl meine Tante als auch die Straße fest im Auge. Ich hatte sie nicht zuletzt deshalb begleitet, um sicherzugehen, dass auf der Fahrt keine Unschuldigen niedergemäht wurden. Es war das Ableben meiner Tante, das ich anstrebte. Und niemandes sonst.
    Als wir in die Einfahrt vor ihrem kleinen, zweistöckigen Holzhaus mit der roten Tür und der abblätternden weißen Farbe bogen, war sie schon äußerst schwach auf den Beinen und sehr dankbar, als ich anbot, sie ins Haus zu begleiten. Sie ließ mich sogar ihre Schuhe tragen. »Ich weiß gar nicht, was mit mir los ist«, sagte sie immer wieder, bevor sie vorwurfsvoll hinzufügte: »Irgendwas war mit dem Gin.«
    Durch die Haustür trat man direkt ins Wohnzimmer, das mit diesem ultramodernen Mist möbliert war, überall Winkel und Kanten und seltsame Formen. Überwiegend rot. Sie liebte Rot. »Ich glaube, du solltest dich einen Moment hinlegen«, sagte ich, als wir durch den winzigen Essbereich zu der steilen Treppe neben der Küche auf der Rückseite des Hauses gingen. Im ersten Stock gab es zwei kleine Schlafzimmer und ein Bad. Ich ging davon aus, dass ich in einem dieser Räume finden würde, was ich brauchte. Wenn nicht, gab es immer noch die Küche.
    »Einen Moment«, sagte ich, als wir die oberste Treppenstufe erreicht hatten.
    »Was?« Ihr Ton war so vorwurfsvoll wie ihr Blick.
    »Das«, antwortete ich schlicht und stieß sie mit aller Kraft hinunter.
    Das Ganze passierte so schnell, dass die Bilder beinahe verschwimmen. Ich musste lernen, den Sturz zu bremsen, als würde ich auf einen Zeitlupenknopf in meinem Kopf drücken, um den Anblick bis ins Letzte auszukosten, wie sie

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