Nur der Tod sühnt deine Schuld
aus dem Wohnzimmer hereinfiel, erhellte den Raum.
Haley hielt sich keuchend an der Tischkante fest. Angela starrte sie über die Platte hinweg an, das Gesicht vor Wut verzerrt, die Finger krallten sich um das blutige Messer.
»Ich habe dich gewarnt«, sagte Angela. »Ich habe dir gesagt, du sollst die Stadt verlassen. Ich mag dich, Haley. Ich wollte nicht, dass es so kommt.«
»Angela, bitte. Ich verstehe nicht, warum Sie das tun. Ich will Ihren Mann nicht.«
»Halt den Mund, du verlogenes Miststück. Ihr wollt ihn alle, ihr blonden Huren. Ich merke doch, wie du ihn ansiehst … genau wie deine Schwester. Genau wie Sondra. Du willst ihn, aber du kriegst ihn nicht. Er gehört mir.«
Sie ist wahnsinnig, begriff Haley. Sie ist komplett verrückt. »Ich ziehe um«, sagte Haley. »Ich ziehe weg von hier.«
»Zu spät. Jetzt beenden wir es auf meine Art.« Angela legte leicht den Kopf schief, als lausche sie auf etwas. »Hörst du das? Das Summen? Es gibt nur einen Weg, damit es aufhört. Ich will, dass es aufhört.«
Sie machte einen Schritt nach links. Haley bewegte sich ebenfalls nach links, so dass der Tisch sie weiterhin trennte. So war es also passiert. Monica hatte die Tür geöffnet, um ihre Nachbarin hereinzulassen, der sie vertraut und die sie für ihre Freundin gehalten hatte.
Haley unterdrückte ein hysterisches Lachen. Sie hatten alle nach einem Mann gesucht. Detective Tolliver, Frank und sie selbst, nie hatten sie daran gedacht, dass der Mörder eine Frau sein könnte.
Angela ging weiter um den Tisch herum. Haley wich zur anderen Seite aus und fragte sich, was passieren müsste, um diese Pattsituation zu beenden. Sie stand jetzt zwischen Angela und der Tür, aber sie war fest entschlossen, die Küche nicht zu verlassen.
Sie wollte den Kampf auf Leben und Tod nicht im Wohnzimmer fortsetzen, und erst recht nicht im Flur. Angela sollte nicht daran erinnert werden, dass Molly im Haus war.
»Angela, legen Sie das Messer weg. Lassen Sie uns reden. Sie brauchen Hilfe. Es ist noch nicht zu spät«, sagte Haley hastig und versuchte, nicht auf das Blut zu achten, das aus der Wunde auf die Tischplatte tropfte.
»Ich brauche keine Hilfe. Ich habe alles unter Kontrolle. Ich habe immer alles unter Kontrolle.«
In diesem Moment erschien Molly in der Küchentür.
Als sie das Messer in Angelas Hand sah, stieß sie einen markerschütternden Schrei aus.
»Lauf, Lolly! Lauf!«, rief Haley.
»Molly, bleib hier. Bleib stehen«, befahl Angela.
Molly drehte sich um und rannte los. Haley stöhnte vor Erleichterung auf, aber die Erleichterung hielt nicht lange an, denn Angela kam hinter dem Tisch hervor und lief zur Tür.
Mit einem wütenden Schrei warf sich Haley auf Angela. Die beiden Frauen gingen zu Boden, und Haley bekam die Hand zu fassen, die das Messer hielt.
Schmerz und Blut.
Schluchzend kämpfte Haley gegen das Erschlaffen ihrer Muskeln an. Sie wusste, wenn sie Angelas Hand losließ, würde sie sterben. Molly würde sterben.
Das kannst du nicht zulassen! Du musst mein Kind beschützen,
schrie Monica in Haleys Kopf.
Angela packte Haley an den Haaren und zog. Der Schmerz trieb Haley die Tränen in die Augen, aber sie ließ Angelas Handgelenk nicht los. Blut befleckte Angelas Schürze. Mein Blut, dachte Haley. Zu viel Blut.
Jemand würde wieder die Reinigungsfirma bestellen müssen.
Morgen soll ich Hackbraten für Grey machen.
Verrückte Gedanken schossen Haley durch den Kopf, als sie die Mordlust in Angelas Augen sah und spürte, wie ihr die Kräfte schwanden.
Halt durch, befahl sie sich. Nicht loslassen. Doch im selben Moment merkte sie, dass sie keine Kraft mehr hatte.
Angela brüllte, riss den Arm hoch und befreite ihre Hand aus Haleys Umklammerung. Angelas Faust traf Haleys Schläfe, und Haley sah nur noch Sterne.
Schmerz und Blut. Plötzlich war alles dunkel.
Sie erinnerte sich!
Molly schlüpfte aus der Haustür und rannte nach hinten in den Garten. Sie erinnerte sich. Es war Mrs.Marcelli gewesen, die an dem Morgen zu ihnen gekommen war, als ihre Mommy getötet wurde. Sie hatte eine blaue Schürze angehabt. Sie hatte ihre Mommy getötet, und jetzt tötete sie Tante Haley.
Weinend lief Molly zum Baumhaus. Ihr fiel kein anderer Ort ein, an den sie sich flüchten konnte. Alles war genauso wie an jenem Morgen, nur dass sie diesmal nicht unter Mommys Bett lag.
Sie kletterte die Leiter hoch, kauerte sich in eine Ecke des Häuschens und kniff die Augen so fest zusammen, wie sie nur konnte.
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