Nur die Küsse zählen
den Beeten knien und rigoros umgraben. Auf dem Rasen lagen zerfetzte Überreste von unwürdigen Pflanzen. Denise trug eine Jeans, eine Tinkerbell-Sweatshirtjacke über einem pinkfarbenen T-Shirt und einen großen Strohhut.
„Hi, Mom!“
Denise schaute auf und lächelte. „Hi, Honey. Wusste ich, dass du kommst?“
„Nein. Ich schaue einfach so vorbei.“
„Gut.“ Ihre Mutter stand auf und streckte sich. „Ich verstehe das nicht. Ich habe hier doch erst im letzten Herbst Klarschiff gemacht. Wieso muss ich es jetzt im Frühling schon wieder tun? Was genau tun meine Pflanzen den Winter über? Wie kann alles so schnell wieder so unordentlich werden?“
Dakota ging zu ihrer Mutter und umarmte sie. Dann gab sie ihr einen Kuss auf die Wange. „Da fragst du die Falsche. Ich habe vom Gärtnern keine Ahnung.“
„Wie deine Schwestern. Da habe ich als Mutter offensichtlich versagt.“ Sie seufzte theatralisch.
Denise hatte sehr jung geheiratet. Bei ihr und Ralph Hendrix war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. In den ersten fünf Jahren ihrer Ehe hatte sie die drei Jungen bekommen, dann waren die Drillingsschwestern gefolgt.
Dakota erinnerte sich an eine Kindheit in einem Haus voller Lachen und Liebe. Sie hatten sich immer nahegestanden und waren nach dem Tod ihres Vaters vor bald elf Jahren noch näher zusammengerückt.
Der unerwartete Tod ihres Dads hatte ihre Mutter zutiefst getroffen, aber sie nicht zerstört. Sie hatte sich zusammengerissen – hauptsächlich zum Wohl ihrer Kinder – und ihr Leben fortgesetzt. Sie war hübsch, lebhaft und ging noch locker für Anfang vierzig durch.
Jetzt bedeutete sie ihrer Tochter, ihr durch die Hintertür in die Küche zu folgen. Die war auch vor ein paar Jahren renoviert worden, aber egal, wie es jetzt aussah, der helle, offene Raum würde immer das Zentrum des Hauses bleiben. Da war Denise absolut traditionell.
„Vielleicht solltest du einen Gärtner engagieren“, schlug Dakota vor und nahm zwei Gläser vom Regal.
Während ihre Mutter einen Krug Eistee aus dem Kühlschrank holte, gab Dakota Eiswürfel in die Gläser und warf dann einen Blick in die Keksdose. Der Geruch von frischenChocolate-Chip-Cookies wehte ihr in die Nase. Sie nahm die Dose in beide Hände und trug sie zum Küchentisch.
„Ich hätte kein Vertrauen in einen Gärtner“, erwiderte Denise, während sie sich ihrer Tochter gegenübersetzte. „Ich sollte einfach alles umgraben und betonieren. Das würde die Sache vereinfachen.“
„Du stehst aber nicht auf einfach. Und du liebst deine Blumen.“
„An den meisten Tagen schon.“ Sie schenkte Eistee ein. „Wie geht’s mit der Sendung voran?“
„Morgen werden die Teilnehmer verkündet.“
Humor funkelte in Denise Augen. „Und, stehst du auch auf der Liste?“
„Wohl kaum. Ich hätte mit all dem nichts zu tun, wenn Marsha mich nicht überredet hätte.“
„Wir haben alle unsere Bürgerpflichten zu erfüllen.“
„Ich weiß. Darum mache ich das ja auch. Hättest du uns nicht beibringen können, dass uns andere Leute egal sind? Das wäre für mich besser gewesen.“
„Es sind doch nur zehn Wochen, Dakota. Du wirst es überleben.“
„Vielleicht, aber das heißt nicht, dass es mir gefallen muss.“
Um die Mundwinkel ihrer Mutter zuckte es. „Ah, das ist dieses erwachsene Verhalten, das mich so stolz auf dich macht.“
Ich bin froh, dass sie zu Scherzen aufgelegt ist, dachte Dakota. Denn gleich würde es wesentlich ernster werden.
Sie schob das anstehende Gespräch seit Monaten vor sich her, doch jetzt war es an der Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen. Es ging nicht darum, dass sie etwas vor ihrer Mutter geheim halten wollte – sie wusste nur, die Wahrheit würde ihr wehtun. Und Denise hatte bereits genug durchgemacht.
Dakota nahm sich einen Keks, legte ihn auf die Serviette vor sich, biss aber nicht ab. „Mom, ich muss dir was sagen.“
Auch wenn ihre Miene ungerührt blieb, spürte Dakota, wie ihre Mutter sich anspannte. „Was denn?“
„Ich bin weder krank, noch sterbe ich, noch werde ich bald verhaftet.“
Dakota atmete tief ein. Sie musterte den Schokokeks. Seine rauen Ecken. Das war leichter, als den Menschen anzusehen, der sie am meisten liebte.
„Weißt du noch, dass ich zu Weihnachten darüber gesprochen habe, ein Kind zu adoptieren?“
Ihre Mutter seufzte. „Ja. Und obwohl ich die Idee toll finde, halte ich es immer noch für verfrüht. Woher willst du wissen, dass du nicht einen wundervollen Mann
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