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Nur die Liebe bleibt

Titel: Nur die Liebe bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Smaragde vom Hals und einen Rubin, so groß wie ein Hühnerei, vom Finger gerissen. In einem Schneesturm hätten die Kosakenhorden sie nackt auf einen Schimmel gesetzt und über die Grenze gejagt. Nur Regina glaubte ihr, und weil noch nie einer Diana irgendetwas geglaubt hatte, wurde aus der ersten Begegnung zwischen dem Kind und der Frau eine geheimnisvolle, nie mehr zu vergessende Freundschaft. Zum Abschied trug Diana, wie am Tag des Kennenlernens auf einem verzauberten Rasenstück im »Hove Court«, ein bodenlanges Kleid aus weißem Tüll. Die Diva mit der großen Vergangenheit hatte die rosafarbenen Schuhe an, von denen sie ausschließlich Regina anvertraut hatte, sie hätte in ihnen die Odette in »Schwanensee« getanzt und den Kaiser von China zum Weinen gebracht. Nun hielt Odette, die nur noch tanzte, wenn es keiner sah, ihren winzigen Hund Reppi im Arm. Er hatte Ohren wie eine Fledermaus, roch nach Brandy und dem Rosenparfüm seines Frauchens und holte in kurzen Abständen Geräusche aus seiner Kehle, die Keuchhusten ähnelten. Wie sonst auch um fünf Uhr nachmittags, war Diana nicht mehr nüchtern. Ihre Augen waren glasig, die Beine nicht mehr sicher. Hinter ihr stand der getreue Chepoi, der die Zimmer seiner Memsahib in Ordnung hielt, den Hund versorgte und Diana ins Bett brachte, sobald sie ansetzte, ihre Kleider und ihre letzten Pretiosen zu verschenken. Mit der kleinen Verbeugung, die sie ihm für festliche Okkasionen beigebracht hatte, reichte er ihr eine kleine Kiste aus Mahagoni, die in ein weißes Spitzentuch verpackt war. Diana tauschte Hund gegen Kiste. Behutsam öffnete sie den Deckel. Ihr Lächeln machte sie jung, schön und strahlend. »Die Zarenkrone«, sang sie mit der Stimme eines Troubadours. »Unter Lebensgefahr habe ich sie aus Russland gebracht.«
    Es war tatsächlich eine goldene Krone, die die Monarchin aus dem Feenreich der kleinen Kiste entnahm. Besetzt war das glitzernde Schmuckstück mit roten, gelben, grünen und blauen Farbsteinen. In der Mitte strahlte ein goldfarbenes Kreuz. Die Gespräche verstummten. Selbst Reppi, der Fledermaushund, hörte auf zu fiepen. Als er seinen Kopf schüttelte, fiel Regina auf, wie schön auch die vermeintlich hässlichen Tiere sind. »Ich glaube, er ist ein verzauberter Prinz«, vertraute sie ihrem Bruder an.
    Das Kind ahmte den Hund auf Chepois Arm nach und schüttelte seinen Kopf.
    »So klug ist mein Kleiner«, lachte Königin Diana, »und so stark. Wenn er groß ist, wird er die Bolschewiki alle ins Meer treiben und an die Haie verfüttern.«
    Königin Diana hatte meerblaue Augen mit Wimpern aus Seide. Sie leckte ihre korallenroten Lippen und murmelte einige Worte in einer Sprache, die keiner der Anwesenden je gehört hatte. Dann küsste sie die Krone und drückte sie Regina auf den Kopf. Ihrer scheidenden Hofdame gab sie den letzten Kuss. Jede Träne in ihren Augen, Regina wusste es genau, war in Wirklichkeit ein Diamant. Die Juwelen, die in der Krone glänzten, das wussten alle anderen, waren aus Glas, das goldene Kreuz nur bemaltes Blech. Diana, den Hund wieder auf ihrem Arm, schritt zurück zum Jacarandabaum, dessen Blüten im letzten Strahl der Sonne badeten. Wieder war es Regina, die mehr sah als die anderen. Nur ihr ging auf, dass die stolze Monarchin in einen goldenen Himmel mit opalbesetzten Wolken flog.
    »Um Himmels willen, Regina, setz das lächerliche Ding ab. Wir sind doch hier nicht auf einem Kostümfest.«
    Regina, die sich noch nie getraut hatte, irgendeinem Lebewesen außer dem Hund Rummler zu widersprechen, sagte, weil sie den Kopf ja nicht mehr auf gewohnte Art schütteln konnte, resolut: »Nein. Nicht so lange ich Diana noch riechen kann.«
    »Wenn du jetzt auch so hysterisch wirst wie deine Mutter, erschieße ich mich auf der Stelle«, drohte ihr Vater. »Womit?«, fragte Jettel.
    Die Lokomotive hörte auf, langsam zu schnaufen und pfiff Entschlossenheit. Der Zug fuhr einige Meter in Richtung Mombasa, dann umgehend wieder zurück. Die Bettler richteten ihre Gesichter auf Arbeit ein, fielen auf die Knie und streckten murmelnd ihre Hände aus. »Einsteigen«, rief der alte Herr Mannheimer, von dem ein jeder wusste, dass er sich zu keinem Zeitpunkt seines Lebens einen schlechten Scherz hatte entgehen lassen, »dies ist der letzte Zug, der heim ins Reich fährt.« »Bravo!«, rief Walter. Er klatschte in die Hände und verneigte sich höhnisch. Es war weder Zufall noch Gewohnheit, dass er das Wort Englisch aussprach, aber das R

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