Nur die Liebe bleibt
Walter Redlich, geboren in Sohrau, verjagt aus Leobschütz, im letztmöglichen Moment aus Breslau geflüchtet, senkte den Kopf. Er verzichtete auf das letzte Wort und nahm das Urteil an.
Zwischen Nairobi und Mombasa begriff er nicht nur, dass er nie mehr eine Heimat haben würde. Der Richter hatte ihn auch zum lebenslänglichen Schweigen verurteilt.
Den größten Irrtum seines Lebens durfte Walter auch nicht derjenigen gestehen, die seinem Herzen am nächsten war, denn er hatte Regina die Heimat genommen. Noch war ihr reuiger Vater nicht mit den strengen Regeln der Lebenslüge vertraut, schüttelte er doch seinen Kopf wie einer, der nichts zu verbergen hat, und ohne dass er die Stimme senkte, sagte er: »Sie haben’s geschafft.« »Hast du was?«, fragte Jettel. »Du bist ja plötzlich ganz blass.«
»Quatsch. Was soll ich haben? Wo in aller Welt ist meine Tochter? Und wer hat meinen einzigen Sohn entführt?« »Er wurde plötzlich unruhig. Da habe ich Regina mal ein bisschen mit ihm rausgeschickt. Du warst so weit weg und hast so schwer geatmet, dass ich mich erschrocken habe. Da dachte ich, du könntest ein bisschen Ruhe gebrauchen.«
»Ach, Jettel, manchmal glaub ich doch, dass deine Mutter recht hatte. Sie hat immer zu mir gesagt, dass du mich liebst.«
»Komisch, dasselbe hat sie zu mir gesagt. Es war das Letzte, was sie überhaupt zu mir gesagt hat.«
Sie hielten sich an den Händen - wie zwei verängstigte Kinder, die nicht wissen, ob sie je aus dem dunklen Wald herausfinden werden.
Der Zug hielt auf freier Strecke. In der Ferne klagte ein Schakal. Auf dem Gang schaute Max auf die mächtigen schwarzen Bäume im Land seiner Geburt und wusste nicht, was er sah. Er sagte zum ersten Mal »lala«, was auf Suaheli schlafen heißt, und einige Male »Aja«. Dann suckelte er am Daumen seiner Schwester und schlief weiter. Regina versuchte, wenigstens eine ihrer Tränen in einen leuchtenden Stern zu verwandeln, doch sie begriff rasch, dass Owuors wunderbarer Zauber an die Heimat gebunden war.
»Das«, erklärte sie ihrem schlafenden Bruder, »hat nur zu Hause geklappt. Unter dem Baum am Wassertank.«
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