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Nur die Liebe bleibt

Titel: Nur die Liebe bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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sein, in der das Wort Heimat ein Synonym für Streit, Trauer und Tod sei. Max allein gestand sie, dass ihre Heimat Afrika war und dass sie eine lähmende Angst vor der geplanten Rückkehr nach Deutschland hätte.
    »Kannst du dir vorstellen«, fragte sie den, um den sie jahrelang gebetet hatte, »dass wir dorthin zurückgehen, wo unsere Großeltern ermordet worden sind?«
    Max konnte es nicht. Er lutschte an seinem Zeh und rief nach seiner Aja. Sie hieß Chebeti und war eine schöne groß gewachsene Frau von noch nicht einmal dreißig Jahren. Sie trug einen sonnengelben Turban, weite geblümte Röcke und perlenbestickte Lederarmbänder. Chebeti hatte fünf Kinder zu versorgen, ebenso ihre Mutter in Thika, bei der die Kleinen lebten, und eine Schwester, deren Mann ihr im ersten Jahr der Ehe ein Auge ausgeschlagen hatte. Ihren Schützling mit der rosigen Haut mochte die Aja nicht weinen sehen. Obwohl auch sie keinen Grund hatte, die Wirklichkeit zu beschönigen, erzählte die Kinderfrau Max nur Gutes von den Männern. Morgens rieb sie seinen Schnuller mit Honig ein, nach dem Mittagessen mit einem Tropfen Gin. Mit wehmütigen Liedern aus der Zeit, ehe die Weißen ins Land gekommen waren, fütterte sie seine Ohren, und auf ihrem üppigen Busen schaukelte sie ihn in den Schlaf. Wenn ihre Finger keine Ruhe fanden, stahl sie seine hübschen blauen Jäckchen und die gestrickten Schuhe mit den hüpfenden Bommeln für ihr Jüngstes.
    Obwohl Owuor die Aja selbst ins Haus gebracht hatte und auch mit ihr schlief, duldete er es nicht, dass das Gleichgewicht der Kräfte im Hause seines Bwana durch eine Frau aus dem Lot gebracht wurde. Während Walter im Camp war, behauptete Owuor seine Vorherrschaft jeden Tag aufs Neue und beanspruchte, wann immer es ihm danach war, den Thronfolger für sich. In einem klappernden Kinderwagen chauffierte er das Königskind auf den Kieswegen des »Hove Court«, und er redete mit ihm, genau wie er es mit Regina auf der Farm getan hatte, immer in Luo, seiner Stammessprache. Es hieß, wer mit einem fremden Kind in der eigenen Sprache redete, würde es für immer an sich ketten. Für die volle Entfaltung dieses Zaubers, von dem nur Regina und Owuor wussten, reichte bei Max allerdings die Zeit nicht. Lachend ließ sich das bilinguale Plappermaul am Tag der Abreise für die erste Safari seines Lebens fertig machen. Owuor mit dem Hund Rummler und Beinen, die ihm nicht gehorchen mochten, und die Aja mit einer noch viertel vollen Flasche Gin und einem gestreiften Schal aus Leobschütz, den die weinende Memsahib ihr zum Abschied geschenkt hatte, waren schon am Vortag aus dem Lebenskreis der Familie Redlich getreten. »Wer an einem Bahnhof >Kwaheri< sagt«, hatte Walter dem Freund seines afrikanischen Lebens erklärt, »dem stirbt das Herz.« Owuor hatte genickt. Mit Abschieden kannte er sich ebenso gut aus wie der Bwana. Zwei Mal schon hatten sie zusammen ein Messer schleifen müssen, um den Lebensfaden zu zerschneiden - in Rongai und in Ol’ Joro Orok. Und nun geschah in Nairobi der letzte Schnitt.
    Regina hatte sich oft gewünscht, es ihren wohlhabenden Mitschülerinnen gleichzutun und in den Schulferien mit den Eltern ans Meer nach Mombasa zu fahren. Sie hatte nicht nur von einem Bett in einem Hotel und Getränken mit Eiswürfeln in gekühlten Räumen geträumt, sondern sich noch plastischer die Heimkehr auf die Farm vorgestellt. Mit der Vorfreude der geborenen Geschichtenerzählerin hatte sie sich ausgemalt, wie sie Owuor vom blauen Wasser des Indischen Ozeans, vom weißen Sand und von den Dhaus mit den geblähten Segeln berichten würde. Dass ihr Kindertraum von Meer, Salz und Wind nun Wirklichkeit wurde, sie jedoch bereits am Bahnhof von Nairobi alle Mühe hatte, ihre Augen trocken zu halten und dass es nie mehr einen Owuor geben würde, den sie mit Worten würde satt machen können, verwirrte sie nur im Moment des Begreifens. Regina hatte beizeiten verstanden, dass das Leben für ironische Pointen schwärmt und dass den Menschen die meisten Wünsche zur falschen Zeit erfüllt werden. Ihr Bruder lieferte ihr umgehend einen Beweis. Mit beiden Händen zog er an ihrem Haar und krähte: »Owuor.«
    »Zu spät«, erklärte ihm Regina. »Das hätte dir gestern einfallen müssen, mein Lieber. Owuor hat sich so gewünscht, dass du seinen Namen sagen kannst, ehe wir abfahren. Nur ein einziges Mal wollte er ihn aus deinem Mund hören.«
    »Aja«, krähte Max.
    »Die ist auch nicht mehr da«, seufzte Regina, »ich

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