Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nur dieses eine Mal

Nur dieses eine Mal

Titel: Nur dieses eine Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewa Aukett
Vom Netzwerk:
für Mitte sechzig.
    Das früher blonde Haar war grau und stumpf und schien sich kaum von seinem fahlen, aschigen Teint zu unterscheiden. Tiefe Falten hatten sich in sein Gesicht gegraben. Linien, die seine Mundwinkel hinab zogen und ihn noch älter machten. Seine Wangen wirkten eingefallen und hohl, die Haut wie altes Pergament. Für einen Moment kam ihr der Gedanke, wenn sie ihn berühre, dann würde er einfach zu Staub zerfallen.
    Tief einatmend trat sie näher an das Bett, blieb am Fußende stehen und musterte ihren Vater.
    Robert schlief und ein Überwachungsmonitor gab ein leises, sich ständig wiederholendes Piepen von sich, das ebenso beunruhigend wie einschläfernd klang. Der längsgestreifte Krankenhausschlafanzug war zwei Nummern zu groß und an dem Seitengitter des Bettes hing ein Urinbeutel.
    So hatte Robert sich sein Ende zweifellos nicht gewünscht.
    Er sah fremd aus, und Cady spürte mehr denn je, dass die Jahre nicht spurlos an ihr vorübergegangen waren.
    Das letzte Mal, als sie sich gegenübergestanden hatten, war sein Blick bittend gewesen. Er hatte nicht gewusst, wohin er gehen sollte, doch sie war voller Wut. Sie war so bitter enttäuscht von ihm und im gleichen Atemzug war da ihr schlechtes Gewissen, das auf sie einprügelte, weil sie ihren eigenen Vater vor die Tür setzte.
    Sie hatte sich zerrissen gefühlt. Sie hatte nicht gewusst, ob sie das Richtige tat, aber sie wusste, dass sie nicht länger mit einem Alkoholiker zusammenleben konnte, ohne irgendwann selbst daran zu zerbrechen.
    Sie wollte endlich leben.
    Er hatte sie bestohlen, sie belogen und fast war das Haus abgebrannt, weil er sich betrunken hatte und die Pfanne mit dem Öl auf dem eingeschalteten Herd vergaß. Es war ihrem jüngsten Bruder zu verdanken, dass nichts Schlimmeres passiert war, weil er rasch genug reagieren und das Feuer löschen konnte.
    Cady war es so leid gewesen.
    Die Entschuldigungen, Roberts Anblick in dem verfleckten Unterhemd und der zerschlissenen Hose, das Gejammer über sein Leben und wie ungerecht doch alles war.
    Alle waren schuld und er das Opfer. Jeden Tag dieses Bild vor Augen, wenn er im Wohnzimmer in seinem Sessel saß und, morgens um halb zehn, schon zwei leere Bierdosen neben ihm auf dem Tisch standen.
    Sie wünschte, er wäre mehr wie Fernando gewesen.
    Ein Vater, der gemeinsam mit seinen Kindern lachte. Ihr war nicht entgangen wie herzlich das Verhältnis zwischen ihm und Aléjandro war, oder wie zärtlich sein Blick wurde, wenn er Sophia betrachtete. Der Stolz strahlte aus dem Gesicht dieses Mannes und sie war erfüllt gewesen von Traurigkeit und einem heftigen Anflug von Neid.
    Wie oft hatte sie sich erhofft, Robert würde sie - adrett und herausgeputzt - zu wichtigen Terminen begleiten, und sei es nur jener Tag ihres Schulabschlusses, als ihnen die Zeugnisse verliehen wurden. Stattdessen hatte er seine Zeit in irgendwelchen Kneipen verbracht, um dort sich selbst zu loben und mit seinen vermeintlichen Freunden auf seine Kinder anzustoßen.
    Dabei hatte er gar nichts dazu beigetragen.
    Welcher Hohn!
    „Cady!?“
    Irritiert wandte sie den Kopf und sah eine Frau in der Tür stehen, die Cadys musternden Blick erwiderte. Ihr Haar war sorgfältig frisiert, dazu trug sie ein hübsches, cremefarbenes Kleid, passende Pumps und eine Handtasche, die sie wie ein Schild vor sich hielt. Ihr Gesicht war im Halbdunkel des Zimmers kaum zu erkennen. Verwirrt kniff Cady die Augen zusammen.
    „Ja, bitte?“
    Die Fremde kam näher und trat in den schwachen Lichtkreis, der um Roberts Bett herrschte.
    Cady fühlte sich, als würde sie von einer Abrissbirne getroffen.
    Geradezu entsetzt starrte sie ihre Mutter an.
    Siebenundzwanzig Jahre schienen wie weggeblasen. Für einen Moment war Cady wieder ein elfjähriges Mädchen, das mit verheultem Gesicht dabei zusah, wie ihre Mutter das Gartentörchen hinter sich schloss und ihrer ältesten Tochter einen letzten Blick zuwarf.
    Traurigkeit war in diesen veilchenblauen Augen gewesen und das stumme Versprechen: „Ich hole dich nach!“
    Aber sie war nicht gekommen.
    Catherine Anderson war gegangen, ohne sich ein weiteres Mal umzublicken, und Roberts harter Griff hatte sich schmerzhaft um Cadys Handgelenk geschlossen, während sie nach ihm trat und ihrer Mutter hinterher rennen wollte. Sie hatte geschrien und geweint, und er hatte ihr gnadenlos gesagt, dass ihre Mom sie jetzt nicht mehr lieb hätte und die Familie nun ohne sie klarkommen müsse.
    Cady hatte ihm nicht

Weitere Kostenlose Bücher