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Nur dieses eine Mal

Nur dieses eine Mal

Titel: Nur dieses eine Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewa Aukett
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den Zimmertüren, an denen sie vorüberging.
    Ihr war klar gewesen, dass so etwas irgendwann passieren würde. Allerdings hatte sie angenommen, ein wohlwollender Arzt aus irgendeinem Krankenhaus würde sie eines Tages anrufen und über Roberts Tod informieren.
    Sie hatte nicht damit gerechnet, ihn ein letztes Mal zu sehen. Die seltsamen Zufälle in ihrem Leben häuften sich im Augenblick zu sehr. Es musste doch einen Grund haben, dass er ausgerechnet
hier
auftauchte und sie würde diesen zu gern erfahren.
    Die Frage war nur, ob sie noch die Chance bekam, danach zu fragen.
     
    Als sie die Tür zu Zimmer dreiundzwanzig erreichte, blieb sie davor stehen und atmete tief durch. In ihrem Magen bildete sich ein zäher Kloß aus Furcht und Wut.
    Verdammt, sie hatte gerade begonnen sich ein wenig mit dem Gedanken anzufreunden, dass das zwischen Aléjandro und ihr vielleicht, und mit viel Zeit, doch funktionieren könne. Wenn der Sex schon so gut war, konnte sie wenigstens die Monate der Dreharbeiten mit dem Angenehmen verbinden.
    Es war schön, sich für ein paar Stunden glücklich zu fühlen. Was danach kam, war für sie im Augenblick irrelevant. Sie glaubte nicht ernsthaft daran, dass diese Beziehung eine dauerhafte Basis beinhaltete, aber sie hätte niemals einen Liebesroman wie »Sizilianische Träume« geschrieben, wenn nicht tief in ihr immer noch ein Funken Hoffnung wäre.
    Natürlich würde der Alltag sie irgendwann einholen, aber es wäre schön, rückblickend sagen zu können, sie habe es versucht.
    Dennoch hatte sie gehofft, mehr Zeit zu haben. Sie wollte dieses Gefühl, in Aléjandros Armen zu liegen und etwas zu genießen, das sie vorher nicht gekannt hatte, noch länger auskosten.
    Robert verdarb es ihr, wie so vieles anderes.
    Sie versuchte den aufsteigenden Groll in sich zu bekämpfen, aber es gelang ihr nicht. Mehr als sechzehn Jahre lang hatte sie ihn nicht gesehen. Trotzdem sie ihn damals vor die Tür gesetzt und ihn unter Tränen angeschrien hatte, dass sie ihn niemals wiedersehen wolle, waren die Erinnerungen noch lebendig. Die wenigen guten Tage, an denen er nüchtern war und sich wie ein echter Vater benahm, waren viel zu selten gewesen.
    Gestern hatte sie die Zeit mit Aléjandros Familie genossen. Die Scherze, das Lachen, die kleinen Frotzeleien. Melody und Sienna waren ein Teil dieser Familie, und auch sie selbst war herzlich darin aufgenommen worden. Als Mathilda sie zum Abschied kurz gedrückt hatte, waren Cady fast die Tränen gekommen.
So
hatte sie sich immer ihre eigene Familie gewünscht und trotz der Jahre und der Wut, die sie rückblickend nach wie vor empfand, verspürte sie auch die Sehnsucht.
    Es wäre schön, zu wissen, was aus ihren Brüdern geworden war. Es wäre schön, mehr als nur einen lockeren E-Mail-Kontakt zu ihrer jüngsten Schwester zu pflegen. Es wäre schön, wenn ihr Dad endlich vom Alkohol wegkäme. Wenn er einsehen würde, was er seinen Kindern angetan hatte und wenn er sie nur einmal in den Arm nähme, wie sie es sich als Kind so oft gewünscht hatte.
    Sie hatte sich so oft fortgeträumt in eine andere Gegenwart, in eine Wirklichkeit, in der ihre Eltern noch zusammen waren, glücklich verheiratet, und in der ihr Vater keinen Alkohol trank. Kein Geschrei, kein Streit, keine Scham, mit der man am nächsten Tag vor die Tür trat und den mitleidigen Blicken der Nachbarn begegnete.
    Sie hatte sich nie etwas anderes gewünscht, als eine intakte Kindheit. Eine Zeit, auf die sie zurückblicken konnte, um in glücklichen Erinnerungen zu schwelgen.
    Und nun? Sie war fast vierzig und hatte die meisten Träume ihrer Jugend aufgegeben. Kein Mann, keine Kinder, kein rosarotes Familienleben. Kein Häuschen mit weiß getünchtem Zaun und einem Dreirad im Vorgarten.
    Mit verschwommenem Blick starrte sie auf die Tür und versuchte der Gefühle Herr zu werden, die plötzlich auf sie einstürmten.
    Sie hatte Angst.
    Angst vor dem, was hinter dieser Tür lag, und Angst davor, wie sehr er sich verändert hatte.
    „Du musst da nicht reingehen, wenn du es nicht willst“, meinte Aléjandro. Er war lautlos neben sie getreten und griff nach ihrer Hand. „Möglicherweise wird er ohnehin nichts davon mitbekommen, dass du da bist.“
    Cady drückte seine Finger und lächelte ihm flüchtig zu.
    „Ich weiß, aber ich muss das auch für mich tun.“
    Entschlossen legte sie ihre Hand auf die Klinke, drückte sie hinunter und öffnete die Tür.
     
    Er war alt geworden.
    Viel älter, als sie erwartete,

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