Nur Dumme machen keine Fehler
falsch! Fiesefalsch! Je mehr er jammert, desto größer wachsen die Zengel“, erklärte Mörfi.
„Ich hatte sogar noch überlegt, ob ich die neuen Schuhe mit den glatten Sohlen wirklich anziehen soll“, wimmerte Alexander weiter.
„Völlig verrückt! Er ist völlig verrückt“, war Mörfi sich sicher. „Redet sich um Kopf und Kragen.“
Der Koffer wurde noch dicker.
„Geschwätziges Gewäsch!“, keifte Mörfi, sprang von Johannas Schulter herab auf Alexanders Sofa und sang ihm aus voller Kehle zu:
Red dich nicht um Kopf und Kragen,
musst auch mal ’nen Fehler wagen.
Versuche nie, perfekt zu sein,
räum dir auch mal Schwächen ein.
Ob Scherben, Splitter, Pech und Bruch,
merke dir nur diesen Spruch.
Meide alle strengen Quäler,
Nur Dumme machen niemals Fehler!
Jedoch Alexander hörte davon nichts. Er zeigte nicht die kleinste Reaktion. Der rote Geldschein-Zengel auf seinem Kopf, der ebenfalls gewachsen war und mittlerweile die Größe eines Badehandtuchs angenommen hatte, lachte gehässig: „Dein Reim ist von großer Wirkungslosigkeit geprägt, Zwergteufel-Winzling! Der hier an Fehlern leidende Mensch befindet sich im Übergang in unseren Besitz und unserer uneingeschränkten Befugnis!“
Mörfi schrie gequält auf. Allein schon diese entsetzliche Sprache! Sie brannte richtig in den Ohren.
Johanna erkannte, dass sie gefordert war. Wenn ihr schon kein Fehler einfiel, vielleicht konnte sie wenigstens Alexander dazu bewegen, seinen eigenen Fehler gutzuheißen. Er hatte ja selbst gesagt, dass er besser hätte aufpassen müssen.
„Immerhin …“, begann sie zögernd.
Alexander und ihre Mutter wandten sich zu ihr um.
Johanna verstummte. Ihr fehlte noch der rechte Einfall, was sie jetzt sagen könnte.
„Bitte?“, fragte ihre Mutter nach.
„Ich meine …“, stotterte Johanna und wandte sich an Alexander. „Immerhin hast du jetzt einige Tage frei, musst nicht nach Hause fahren und ihr beide könnt euch jeden Tag sehen. Das ist doch wenigstens gut an der Sache!“
Ihre Mutter lächelte sie milde an.
„Nein, das ist furchtbar!“, stöhnte Alexander. „Ich muss dringend ins Büro. Und jetzt habe ich den Zug verpasst. Furchtbar. Alles ist so furchtbar!“
„Verquaster Quengelkopf!“, schimpfte Mörfi. „Wie kann man nur so verbohrt sein. Verbohrter Blödmann, jawohl!“
„Der Beweis der Untauglichkeit eurer Bemühungen ist damit erbracht!“, frohlockte der immer noch wachsende Geldschein-Zengel.
Johanna bemerkte nun, woher ihr diese Art zu reden bekannt vorkam. Die Männer mit den schwarz-grauen Anzügen im Fernseh-Abendprogrammsprachen ähnlich unverständlich. „Aber …“, wollte sie entgegnen, doch ihr fiel nicht mehr ein, was sie einwenden könnte. Alexander war einfach unverbesserlich. Der konnte keine Fehler ausstehen!
Der Koffer wurde jetzt so dick, dass er sich nicht mehr geschlossen halten konnte. Der Deckel sprang auf und aus dem Koffer krabbelten mindestens zwanzig Zengel in verschiedenen Formen: als Geldscheine und Schlüssel, Taschenrechner, Zahlenschlösser, Wegfahrsperren, Kreditkarten, Sparbücher und Versicherungsverträge.
„Der Angriff der Zengel!“, brüllte Mörfi. „Sie greifen an, sie greifen an!“ Blitzartig stand das Fehlerteufelchen wieder auf Johannas Schulter.
Johanna musste tatenlos mit ansehen, wie die Zengel Alexanders Körper einnahmen. Wie Heuschrecken setzten sie sich auf seinem Körper fest.
Mörfi schüttelte fassungslos den Kopf. „Dreimal verfault gefehlert! Er hatte einen Unfall und macht sich immer noch Vorwürfe! Ein gefundenes Fressen für die Zengel. Sieh nur, die werden immer größer und immer mehr!“
Johanna sah es. Mit sorgenvoller Miene betrachtete sie den Freund ihrer Mutter und fragte sich, welche Folgen es für ihn wohl haben würde, wenn die Zengel jetzt die Macht über ihn ergriffen.
Alles geht schief!
Wenn ihre Mutter und Alexander nur hätten sehen können, was Johanna sah. Wie konnte man solch ein Chaos übersehen; vor allem ihre Mutter, die doch sonst jedes Krümelchen auf dem Teppich entdeckte?
Die Zengel hatten das ganze Wohnzimmer in Beschlag genommen.
Auf dem Sofa saßen welche, andere hasteten über den Teppich oder auf dem Tisch hin und her. Einige fuhren an den Sesseln und Schränken hoch, als ob die plötzlich Fahrstühle besäßen, und sogar in Mutters Grünpflanzen hockten welche.
Es war ein seltsames Bild. Denn obwohl ein einziges Gewusel von Zengeln in dem Wohnzimmer herrschte, wirkte alles
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