Nur Dumme machen keine Fehler
hatte gar keinen Durst gehabt. Aber weil Alexander in der Küche nicht gestört werden wollte, hatte sie sich vorsorglich ein Glas ihres Lieblingssaftes mit ins Zimmer genommen, für den Fall, dass sie während des Stillsitzens Durst bekommen würde.
Johanna beugte sich weit vor und blinzelte über den Rand des Sessels.
Wie sie es befürchtet hatte: Das Glas warumgekippt und der Saft sickerte in den Teppich. Leider war Johannas Lieblingsgetränk nicht etwa Apfelsaft. Den hätte man auf dem Teppich nicht so stark gesehen. Nein, Johannas Lieb-lingsgetränk war dunkelroter Kirschsaft mit besonders viel Fruchtgehalt, der sich gerade als matschiger roter Fleck auf dem hellblauen Teppich ausbreitete.
Johanna musste nicht lange überlegen, um zu wissen, was zu tun war. Sie musste in die Küche laufen und ein feuchtes Wischtuch holen. In die Küche! Dort saß Alexander und wollte nicht gestört werden! Andererseits durfte Johanna auch nicht tatenlos auf dem Sessel sitzen bleiben und zuschauen, wie der dunkelroteKirschsaft ihren hellblauen Teppich versaute. Das würde Ärger mit ihrer Mutter geben.
Egal, wofür sie sich entschied, entweder würde sie mit Alexander Streit bekommen wegen der Störung oder mit ihrer Mutter wegen des verdorbenen Teppichs.
Für Johanna war die Wahl schnell getroffen: Wenn schon, dann lieber Probleme mit Alexander, den mochte sie ohnehin nicht besonders.
Johanna schlich durch den Flur bis zur Küchentür und spähte durch den schmalen Spalt, den die angelehnte Tür offen ließ. Alexander schaute auf den Bildschirm seines Laptops und zog kräftig an einer Zigarette. Das kam zu allem noch hinzu: Alexander rauchte! Mutter rauchte nicht. Deshalb durfte Alexander auch nur in der Küche rauchen, weil es dort eine Abzugshaube gab. Johanna fand, dass trotzdem die ganze Wohnung nach Rauch stank, seit Alexander in ihr Leben getreten war.
Johannas Vater rauchte nicht. Den aber besuchte Johanna nur alle vierzehn Tage am Wochenende. Auch er hatte eine neue Freundin. Die war aber nett. Komischerweise machte Johanna dort nie etwas falsch.
Johanna traute sich, die Küchentür etwas weiter zu öffnen. Noch hatte Alexander sie nicht bemerkt. Er schob seine Baseballkappe, die er ständig trug, in den Nacken, atmete den stinkenden Qualm mit einem langen Atemzug aus und tippte wieder etwas in den Computer.
Alexander dachte sich Werbespots fürs Fernsehen aus. Als Mutter ihr das einst erzählt hatte, hatte Johanna das zunächst gefallen. Sie mochte Werbespots im Fernsehen, besonders die, bei denen Zeichentrickfiguren auftauchten. Ihr Vater malte solche Figuren fürs Fernsehen. Eine ganze Wand in ihrem Zimmer war voll gepinnt mit Bildern, die ihr Vater gezeichnet hatte. Mutter dagegen hängte die ganze Wohnung immer nur mit ihren Sprüchen voll. „Ideensammlung“ nannte sie das. Immerhinhatte Johanna ihrer Mutter irgendwann das Einverständnis abringen können, die Hunderte kleiner gelber Zettel mit Sprüchen und Ideen nur noch in der Küche aufzuhängen.
Johanna hatte ihren Kopf durch den schmalen Türspalt gesteckt. Langsam schob sie den Körper nach.
Alexander blickte auf. „Hi, Monster!“, rief er ihr zu.
Johanna verzog das Gesicht. Sie mochte es nicht, wenn er sie Monster nannte. Es musste wohl zur Welt der Werbung gehören, sich für Kinder ständig neue Ausdrücke einfallen zu lassen. Von Kids war da die Rede oder von Teens, Twens, Fans, Leuten, kleinen Monstern, Ravern oder Mini-Popstars .
Alexander sagte immer Monster und hielt das vermutlich für total cool .
„Was gibt’s? Schon wieder was umgeworfen?“, fragte er.
Johanna erschrak. Woher wusste der das? Manchmal kam ihr Alexander vor wie einÜberirdischer, vor dem man nichts geheim halten konnte.
Trotzdem schüttelte sie schnell den Kopf, huschte an Alexander vorbei zur Spüle und schnappte sich das Wischtuch der Marke blitz und blank . Es war trocken. Johanna drehte den Wasserhahn auf, leider etwas zu stark. Sie hielt das trockene und harte Wischtuch darunter, der Strahl prallte von dem Wischtuch ab und spritzte durch die halbe Küche.
Alexander sprang entsetzt auf, hielt sich schützend die Hände vors Gesicht. Dann entdeckte er, dass auch sein Laptop Wasser abbekam. Mutig warf er sich dem Strahl entgegen um den Computer zu schützen. Dabei rutschte er auf dem nassen Boden aus. Reflexartig wollte er sich auf dem Tisch abstützen, doch seine Hand landete auf der Tastatur des Computers.
Johanna drehte schnell den Wasserhahn
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