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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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baute ich mich vor ihm auf. »Wie kommt es nur, dass ich einiges, was du sagst, als despektierlich empfinde?«
    »Das sage ich dir in einem Jahr, wenn ich dich besser kenne«, antwortete er mit einem entwaffnenden Grinsen. »Vorher könntest du mir aber noch sagen, wo dein Stallbursche ist, ich habe ihn heute nirgends gesehen.«
    »Er hat leider vor einer Woche einen Bandscheibenvorfall erlitten und wird wohl nicht wiederkommen. Das bedeutet, dass wir beide auf uns gestellt sind, bis ich einen passenden Ersatz gefunden habe.«
    Mit spitzen Fingern warf ich die Büchse Ölsardinen in den Müll und betrachtete mit schlechtem Gewissen Susannes Schokoladenkuchen. Ich hatte noch nicht einmal ein Stück davon probiert. Der alte Pattberg hatte mir den Appetit verdorben. Im Schnelldurchlauf erledigte ich im Büro all das, wozu ich tags  über nicht gekommen war, um anschließend noch einmal mit einer Mistgabel aus allen Boxen die Pferdeäpfel zu entsorgen und jedem Pferd für die Nacht ein wenig Heu zu geben.
    Nach und nach trudelten zehn Reiter samt Pferden im Stall ein. Damit fehlten nur noch die Neumanns, ein Ehepaar, das zwei Pferde bei mir eingestellt hatte. Sie blieben oft bis zur Dämmerung im Gelände. Da sie aber, wie alle anderen Besitzer auch, einen Schlüssel zum Stall hatten, würde ich nicht auf sie warten müssen. So machte ich mich auf den Weg zu Oskar.
    Als einziges von meinen Pferden durfte er, sobald es die Witterung erlaubte, auch nachts draußen bleiben. Alle anderen kamen nach dem täglichen Weidegang oder dem Aufenthalt in dem umzäunten Auslauf abends wieder in den Stall. Ging mir bei den Schul- und Pensionspferden in dieser Hinsicht die Sicherheit über alles, war es bei Oskar das Wohlbefinden, das in einem Stall sehr litt. Bevor er zu mir kam, musste er mehr als einmal in seiner Box verprügelt worden sein. Und obwohl sein Vertrauen zu mir in all den Jahren stetig gewachsen war, hatte ich ihn immer nur mit sehr gutem Zureden dazu bekommen können, eine Box von der üblichen Größe zu betreten. So hatte ich im Stall aus drei Boxen eine Art Freilauf für ihn bauen lassen, in dem er überwinterte. Darüber, dass damit zwei Boxen zum Vermieten ausfielen, hatte sich allein Hans Pattberg Gedanken gemacht.
    Wie immer begrüßte Oskar mich mit einem leisen Wiehern. Nachdem ich ihm seinen Apfel ins Maul geschoben hatte, massierte ich ihn an seinen Lieblingsstellen und machte mich schließlich auf den Heimweg.
    Eine Viertelstunde später war ich geduscht und umgezogen. An diesem Abend wollte ich Susanne unbedingt für ihre Hilfe auf dem Bungehof danken. Zwar hatte sie mir weder den Unterricht noch das Training der Pensionspferde abnehmen können, aber bei allem anderen hatte sie in den vergangenen Monaten tatkräftig mit angepackt.
    Ich hatte lange darüber nachgedacht, womit ich ihr eine Freude machen konnte, und war schließlich auf die Idee gekommen, mich mit Reitstunden zu revanchieren. Sie hatte mir einmal erzählt, dass sie sich als Kind lange Zeit gewünscht hatte, reiten zu lernen. Ihre Eltern hätten sich den Unterricht aber leider nicht leisten können.
    Als ich in die Sackgasse am Ortsrand von Hohwacht bog, sah ich schon von weitem das kleine ehemalige Bauernhaus, das Susanne von einer Tante geerbt hatte. Ich stellte den Wagen ab und ging um das Haus herum, dessen vorderer Teil drei Zimmer beherbergte, während im hinteren Teil, der früher als Stall genutzt wurde, Susannes Töpferwerkstatt ihre Heimat gefunden hatte. Dort saß sie häufig am Abend und arbeitete an ihren Tonfiguren, die allesamt Sternzeichen darstellten. Als ich noch keine Vorstellung von ihrer Kreativität hatte, war mir einmal die Frage herausgerutscht, ob es nicht langweilig sei, immer nur das Gleiche zu formen. Über die Jahre hatte ich dann mitverfolgen können, auf welch unterschiedliche Weise sich Jungfrauen, Waagen und all die anderen Sternzeichen darstellen ließen.
    Anfangs hatte ich von mir selbst auf sie geschlossen und angenommen, ihr größter Traum sei es, sich mit ihrem Hobby ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Aber Christian hatte Recht mit dem, was er sagte: Susanne wäre todunglücklich gewesen, wenn ihr der Blick in fremde Zimmer versperrt geblieben wäre. Sie liebte die einsame Arbeit an der Töpferscheibe genauso wie die gesellige im Hotel.
    Durchs Fenster der Werkstatt fiel mein Blick auf eine Figur, bei der nicht auf Anhieb zu erkennen war, welches Sternzeichen sie verkörpern sollte. Ich legte meinen Kopf

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